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Die Waffeninventare von Neuscharfeneck

Wie bereits im Abschnitt “Geschichte Kompakt” dargestellt, wurde Neuscharfeneck durch Kurpfalz nach 1469 und von der Herrschaft Scharfeneck zwischen 1525 und 1530 sukzessive zur Kanonenburg ausgebaut.  Sie hatte wohl nach Nanstein und Hardenburg den höchsten Artilleriebestand auf Burgen in der Pfalz aufzuweisen.

In seiner über 1.300 Seiten mächtigen Abhandlung über “Pfälzer Burgen und Feuerwaffen hat Eckhard Braun unter anderem das Feuerwaffenarsenal und dessen Einsatzmöglichkeiten auf Neuscharfeneck untersucht. Den letzten Stand hat Rolf Übel 2015 in seinem Beitrag “Geschütze auf Burg Neuscharfeneck” vorgestellt. Letzterer bezieht sich bei seiner Bestandsaufnahme auf die in Archiven entdeckten und belegbaren Burginventare. Interessant ist, dass die von Braun in den großen Geschützkammern der Schildmauer vermuteten größeren Kaliber wie “Viertelbüchse” oder “Viertelkartaune” in keinem der Inventaren von 1541 und 1600 aufgeführt sind.  Die größten nachgewiesenen Kaliber waren ab 1541 drei  “Halbe Schlangen”, also 9-Pfünder. Deren Einsatz dürfte nicht aus den Kasematten der Schildmauer, sondern vermutlich von der Dachplattform vorgesehen gewesen sein.

Der zweite Ansatz, die Waffenbestückung der Burg zu ergründen, ist die Auswertung von Inventaren.

(Erstes) Pulverwaffeninventar von 1541

Das erste auf Feuerwaffen eingehende Inventar der Burg stammt aus dem Jahr 1541. Es weist 21 “halbe hacken”  auf. 

9 der 21 Haken verfügten über eine “lad“, standen also auf einem Schießbock.

In einem weiteren Inventar des gleichen Jahres tauchte dann eine größere Anzahl von Handwaffen und zum ersten Mal auch Geschütze auf.

Handwaffen

An zwei verschiedenen Lagerplätzen in der Burg sind in Summe 43 als “Doppelhacken bezeichnete Pulverhandwaffen gelistet. Fünf davon waren aus Metall, die anderen aus dem höherwertigen Messing.  Auch wenn das Verzeichnis von “Doppelhaken”  spricht, so handelte es sich doch eher um die (einfache) “Hakenbüchse“.

Kanonen

Im gleichen Verzeichnis werden (nur) drei  Kanonen gelistet:

    • Auf der Schildmauer befanden sich zu diesem Zeitpunkt 
      2 “
      falckonetlin (=Falkonet, Achtelschlange)
    • In dem an den Westtturm angrenzenden Wirtschaftsgebäude (vgl. Grundriss #8):
      1 grosse schlang uff einem karch(=Schlangenrohr auf einem Wagen oder einer Karre montiert.

Zieht man in Betracht, dass es 6 Geschützkammern in der Schildmauer gab, scheint die erfasste Anzahl von 3 Kanonen unvollständig. Oder waren die Geschützstände (Kasematten) zu diesem Zeitpunkt etwa geräumt? Waren bei der Aufteilung der Herrschaft in die Linien Löwenstein-Scharfeneck-Scharfeneck und Löwenstein-Scharfeneck-Löwenstein gar Kanonen nach Löwenstein verbracht worden, die dann in den Inventaren der Burg nicht mehr auftauchten?  Die Antwort hierauf muss offen bleiben.

Geschmiedete Hakenbüchse 16. Jhdt, HGM, Wien

Die Bezeichnung als “Hakenbüchse” kommt davon, dass auf der Unterseite ein Haken angebracht war, den man beim Anschlag  so in der Mauer einhängte, dass der Rückstoß beim Abfeuern der Waffe abgefangen wurde.  Man konnte den Haken aber auch von einem Schießbock abfeuern.  Der Haken eignete sich aufgrund seines relativ hohen Gewichts von ca. 30kg und seiner Schwerfälligkeit ausschließlich als Verteidigungswaffe. Sowohl Doppelhaken als auch Haken hatten noch keine Visiereinrichtungen (Kimme, Korn). Verschossen wurde aus ihnen eiserne Kugeln, Bleikugeln oder eiserne mit Blei ummantelte Kugeln.

Im Pulverwaffeninventar von Neuscharfeneck (1541) wurden 9 Haken auf einen Schießbock erfasst.

Doppelhaken, Rüstkammer Veste Coburg, 17. Jh.

Der Doppelhaken wurde 1521 von Karl V. gegen Parma erstmalig eingesetzt, später auch zur Verteidigung von Wehrbauten. Folglich konnte dieser Waffentyp bei der Planung des Ausbaus der Schildmauer (1468 – 1471) noch keine Rolle gespielt haben. ist aber in Waffenverzeichnissen von Neuscharfeneck später nachgewiesen. So wird im Verzeichnis von 1541 ein Bestand von 21 “Doppelhacken” am Zugang zur Schildmauer verzeichnet, weitere 23, “samt ettlich” Zubehör “uff dem Mantell” (auf der Schildmauer).

Das Rohr des Doppelhakens misst 1 ,5 – 2 Meter und wurde entweder auf einem häufig mit Eisenspitzen versehenen Fuß gestützt, oder auf einem Bock mit Rollrädern, oder auch nur auf die Brüstung der Mauer gelegt.

Verschossen wurde aus ihnen eiserne Kugeln, Bleikugeln oder eiserne mit Blei ummantelte Kugeln.

Radschlossmuskete (um 1600), verzierte JagdwaffeRadschlossmuskete (um 1600), verzierte Jagdwaffe

Radschlossmuskete (um 1600), verzierte Jagdwaffe

Die Muskete entwickelte sich bis ins 17.Jhdt. schrittweise zur Hauptwaffe der Infanterie (“Musketiere”) und löste damit die Arkebuse ab.

Die Muskete ist länger als die  Arkebuse und konnte somit eine höhere Geschossgeschwindigkeit erzielen, was einherging mit einer Erhöhung der Reichweite und der Treffgenauigkeit.

Viertelbüchse für der Verschuss von 10-pfündigen Steinkugeln mit Durchmesser 17 cm):  aus: Zeugbuch Kaiser Maximilians I. – BSB Cod.icon. 222, Innsbruck, um 1502
http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00020956-6

 

Namensgebend für diesen Geschütztyp ist das  Steingewicht der zu verschießenden Kugel. Die Viertelbüchse hatte einen Rohrdurchmesser von ca. 17cm. Der Flug des Steingeschützes übertraf die Rohrweite der 24-pfündigen Halbkartaune um 2cm und erreichte fast das Kaliber einer Ganzkartaune. Die noch bis zur Zeit des Maxilian I.  hergestellten Viertelbüchsen wurden vom Typus der Kartaune für genormte Eisenvollkugeln abgelöst.

Für den Hagelschuss wurden jedoch keine Steinvollkugeln, sondern bis zu 20 Pfund Hackblei oder Arkebusenkugeln geladen.

Laut E. Braun stand in der Schildmauer von Neuscharfeneck möglicherweise ein 10-Pfünder (oder eine Viertelkartaune) auf  einer vierrädrigen Kasemattlafette (siehe unten) in einer der großen, dort 1472 angelegten, Kasematten.  Neuere Forschungsergebnisse die sich auf zeitgenössischen Waffeninventare stützen besagen jedoch, dass eine solch schwere Büchse nicht belegt ist.

Tarrasbüchse  (aus: Rüst- und Feuerwerksbuch (gemeinfrei))

Bei der Tarrasbüchse handelt es sich um ein kleinkalibriges Eisenstück bis 2 Pfund Geschossgewicht, für den Hagelschuss., welches in einer Blocklafette gebettet war.

Einsatz der Tarrasbüchse auf Burg Neuscharfeneck
Es ist vorstellbar, dass dieser (1500 bereits veraltete) Waffentyp für kurze Kampfentfernungen zum Einsatz gekommen ist.

Mit Lotbüchsen des 14./15. Jahrhunderts wurden Geschosse aus Blei (Lot) mit Kaliber von 3 cm bis 15 cm verschossen, was einem Kugelgewicht von 0,5 bis 16 Pfund entspricht. Von den größeren Lotbüchsen hießen die längeren Schirmbüchsen, nach den beweglichen Holzschirmen bei Belagerungen, die mit kürzeren Rohren nannte man anfangs Tarrasbüchsen.

Während Haken/Doppelhaken zu den Pulverhandwaffen zuzurechnen sind, gelten nachfolgend genannte Lotbüchsen bereits zur Artillerie.

Im Gegensatz zu den “Legestücken” war die Wagenbüchse (synonym “Karrenbüchse”) als Feldgeschütz mobil einsetzbar. Bei der Benennung des Geschütztyps zog man die Art der Beweglichkeit, z.B. des Fuhrwerks, heran.

Im Neuscharfenecker Waffenverzeichnis von 1600 ist die Existenz einer “gross schlang uff karch“, welche zum Schutz vor der Witterung im Stallgebäude der Vorburg stand. Dieses Geschütz konnte z.B. aus dem Westfenster des Wirtschaftsgebäudes wirken, oder aber auf dem Karren in eine Stellung auf die geglättete Fläche um die äußere Vorburg (genannt “Kanonenplatte”) hinausgeschoben werden. Es könnte sich hierbei um eine Halbschlange (9-Pfünder) gehandelt haben. Näheres siehe unter “Halbe Schlange”.

6-pfündige Achtelkartaune


Kartaunen
gab es in lang- und kurzrohriger Ausführung und verschiedenen Kalibern von der Doppel- bis zur Achtelkartaune. Die Achtelkartaune verschoss 6-pfündige Eisenkugeln aus einem Rohr-Kaliber von 90mm.
 

Kurzrohrige 6-Pfünder kamen in nahezu allen Pfälzer Kanonenburgen zum Einsatz, da sie auch in kleinen Geschützwerken (ab 5 Meter Durchmesser) Platz fanden. Meist erfolgte der Einsatz in Burgen auf einer vierrädrigen Kasemattlafette.

Einsatz von 6-Pfündern auf Burg Neuscharfeneck

 

Halbe Schlange. 9-Pfünder, 15. Jh.
aus: Kriegsbuch des Reinhard von Solms

“Schlange” war seit dem 15. Jahrhundert die Bezeichnung für ein Geschütz, das im Verhältnis zum Kaliber ein besonders langes Rohr hatte und im Vergleich zu den “Kartaunen”  ein relativ kleines Geschosskaliber aufwies.

Die Halbe Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit sowie großer Durchschlagskraft, das sowohl bei Belagerungen gegen schwächere Mauern wie auch in der Feldschlacht (Feldschlange) eingesetzt wurde.

Die “Halbe Feldschlange”  war ein 9-Pfünder mit einem Kaliber von 107mm und einem Rohrgewicht von ca. 1,7 Tonnen.

Auf Neuscharfeneck war 1541 eine “gross schlang uff karch”, vermutlich eine Halbe Schlange auf einem Karren erfasst, möglicherweise für den beweglichen Einsatz außerhalb der Burg.  In einem späteren Verzeichnis von 1605 wurden im Inventar sogar “3 halbe schlangen” erfasst.

Falkon-Rohr auf Festung Königstein (Sachsen)

Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg.  Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehört zu den kleineren Schlangengeschützen mit einem Rohrinnenkaliber von 68mm und einer Rohrlänge von 170cm in der kurzrohrigen Variante (22 Kaliber)

In Burgen kamen überwiegend kurzrohrige Varianten  zum Einsatz, weil die Platzverhältnisse für das Laden einer Langrohrvariante häufig nicht ausreichten.

Auf Neuscharfeneck waren 1541 sechs 2-Pfünder erfasst.

Kurzrohriges Falkonet auf Radlafette

Kurzrohriges Falkonet auf hochrädriger Wandlafette, Veste Coburg

Das Falkonet gehört zur Gruppe der “Schlangen”.  Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Falkonet war für den präzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.

Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.

Beim Kampf um Burgen kam das Falkonet häufig auf Dachplattformen von Geschütztürmen, wie z.B.  den Flankierungstürmen von Neudahn und der Schildmauer von Neuscharfeneck, zum Einsatz. Im Waffenverzeichnis von 1600 von Neuscharfeneck sind 2 “falckonetlin” als Zeughausbestand verzeichnet, die 1605 dann als “Feldstück uff hohen Rädern” verzeichnet wurden.  

Serpentinel (1/2-Pfünder)

Serpentinel, Kaliber 34 mm, Hinterlader mit vertikalem Blockverschluss, Rohrlänge 202 cm, Rohrgewicht 35 kg, Gewicht Lafette 27.6 kg,

Das Serpentinell konnte  gezielt im Kampf gegen feindliche Geschütze und Offiziere eingesetzt werden. Aufgrund des geringen Gewichts konnte es schnell verlagert werden.

Der Einsatz von Serpentinells auf dem  Neuscharfeneck ist nicht nachgewiesen. Ein Einsatz auf der Schildmauerplattform aber auch aus den beiden hochrechteckigen Scharten (#1, #7) der Schildmauer ist einsatztechnisch durchaus sinnvoll.

 

Abb.: “Feldstück” auf zweiachsiger kleinrädriger Kasemattlafette (gemeinfrei)

Die ortsfest in Kasematten positionierten Kanonen saßen anfänglich starr auf schwerfälligen Lafettenblöcken (zeitgenössischer Begriff: “Laden“), die entweder schon zweiachsig mit 4 kleinen Laufrollen (ähnlich wie in der Marine) oder noch gar nicht rollengelagert waren. (Klotzbüchse)

Die Aufhängung des Rohres mit Schildzapfen (so wie in dieser Abbildung) kam erst gegen Ende des 15.Jhdts. auf.

(Zweites )Pulverwaffeninventar 1541

Etwa aus der gleichen Zeit dürfte das nachfolgende Geschützverzeichnis stammen. Es verweist darauf, dass fünf der aufgeführten Geschützrohre erst 1540 gegossen wurden.  Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt auf Neuscharfeneck 16 erfasste Kanonen.

Das Verzeichnis differenziert allerdings nicht nach dem Geschütztyp. Es werden aber immerhin die wesentlichen Merkmale der Rohre und die dazugehörenden Kugeln beschrieben. Aus diesen Angaben kann man heute auf die zeitgenössischen Geschütztypen schließen. Auffällig ist, dass 1541 noch keine Geschütze jenseits des Zweipfünders verzeichnet sind.

    • 6 Stück mit ca. 1,8m Rohrlänge (“sechs Schuh”) , einem Kugeldurchmesser von 6cm, Kugelgewicht: 2 Pfund
      = Falkon, 2-Pfünder Schlangengeschütz
    • 1 Stück mit ca. 2,35 m Rohrlänge (“8 schuh”), Kugeldurchmesser 5cm, Kugelgewicht ca. 1½ Pfund
      = Falkonet , besonders langrohriger Typ
    • 5 Stück, Rohrlänge ca. 1,35m, Kugeldurchmesser 5cm, Kugelgewicht 1½ Pfund
      = Falkonet, kurzrohriger Typ
    • 2 Stück, Rohrlänge ca. 1m, Kugeldurchmesser 4,3 cm, Kugelgewicht ca. 1 Pfund
      = Falkonet, besonders kurzrohriger Typ
    • 2 Stück mit Rohrlänge von ca. 1,7m, Kugeldurchmesser 3cm, Kugelgewicht ca. ½ Pfund 
      = Serpentinell (Scharfentinlein, Feldschlänglein), “normale” Rohrlänge

Falkon-Rohr auf Festung Königstein (Sachsen)

Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg.  Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehört zu den kleineren Schlangengeschützen mit einem Rohrinnenkaliber von 68mm und einer Rohrlänge von 170cm in der kurzrohrigen Variante (22 Kaliber)

In Burgen kamen überwiegend kurzrohrige Varianten  zum Einsatz, weil die Platzverhältnisse für das Laden einer Langrohrvariante häufig nicht ausreichten.

Auf Neuscharfeneck waren 1541 sechs 2-Pfünder erfasst.

Kurzrohriges Falkonet auf Radlafette

Kurzrohriges Falkonet auf hochrädriger Wandlafette, Veste Coburg

Das Falkonet gehört zur Gruppe der “Schlangen”.  Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Falkonet war für den präzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.

Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.

Beim Kampf um Burgen kam das Falkonet häufig auf Dachplattformen von Geschütztürmen, wie z.B.  den Flankierungstürmen von Neudahn und der Schildmauer von Neuscharfeneck, zum Einsatz. Im Waffenverzeichnis von 1600 von Neuscharfeneck sind 2 “falckonetlin” als Zeughausbestand verzeichnet, die 1605 dann als “Feldstück uff hohen Rädern” verzeichnet wurden.  

Serpentinel (1/2-Pfünder)

Serpentinel, Kaliber 34 mm, Hinterlader mit vertikalem Blockverschluss, Rohrlänge 202 cm, Rohrgewicht 35 kg, Gewicht Lafette 27.6 kg,

Das Serpentinell konnte  gezielt im Kampf gegen feindliche Geschütze und Offiziere eingesetzt werden. Aufgrund des geringen Gewichts konnte es schnell verlagert werden.

Der Einsatz von Serpentinells auf dem  Neuscharfeneck ist nicht nachgewiesen. Ein Einsatz auf der Schildmauerplattform aber auch aus den beiden hochrechteckigen Scharten (#1, #7) der Schildmauer ist einsatztechnisch durchaus sinnvoll.

 

Abb.: “Feldstück” auf zweiachsiger kleinrädriger Kasemattlafette (gemeinfrei)

Die ortsfest in Kasematten positionierten Kanonen saßen anfänglich starr auf schwerfälligen Lafettenblöcken (zeitgenössischer Begriff: “Laden“), die entweder schon zweiachsig mit 4 kleinen Laufrollen (ähnlich wie in der Marine) oder noch gar nicht rollengelagert waren. (Klotzbüchse)

Die Aufhängung des Rohres mit Schildzapfen (so wie in dieser Abbildung) kam erst gegen Ende des 15.Jhdts. auf.

Geschütz-Inventar von 1600

In einem weiteren Inventar aus dem Jahr 1600 wird wiederum eine Anzahl von 16 Geschütz(rohren)en aufgeführt. Die Klassifizierung der Typen weicht jedoch von dem Inventar von 1541 ab. Im Inventar von 1600 tauchen zudem drei mittelgroße Kaliber als “Halbe Schlangen” auf. Das sind nach der Geschütztypologie 9-Pfünder Schlangengeschütze, die damit die schwersten Stücke auf der Burg waren.

Das Inventar enthält weiterhin Angaben zur Art der Lafettierung und über den Stand(Lager-)ort auf der Burg. Demnach standen

A) Im Zeughaus

    • 2 Feldstücke auf hohen Rädern mit löwensteiner Wappen (=Radlafette)
    • 5 Feldstücke in Laden mit löwensteiner Wappen .
      Unter “Laden” versteht man eine besondere Art der Geschützbettung, die nach herrschender Meinung im Zusammenhang mit “Feldstück” eine Kasemattlafette war.
    • 3 halbe Schlangen ohne Schaft und Wappen.
      = 9-Pfünder mit einem Geschosskaliber von 10,7cm, Rohrgewicht von 1,7 Tonnen (in der Kurzrohrversion weniger).
    • 2 Kleine Stücke ohne Schaft und Wappen.
      Das könnten die vorne Erwähnten, mit 1m Rohrlänge besonders kurzen, 1-Pfünder sein
    • 2 lange Rohre mit löwensteiner Wappen
      Das könnten die zwei 1,7m langen Serpentinell-Rohre des Verzeichnisses von 1541B sein.
    • 18 große Doppelhaken, darunter einer ohne schafft:
      Doppelhaken werden üblicherweise nicht als Geschütz subsumiert, sondern gehören zu den Pulverhandwaffen. Auf Neuscharfeneck scheint es sich um besonders schwere Ausführung gehandelt zu haben, die auf einem Schießbock gelagert wurden.

B) Im Marstall

Hier wurden sechs beschlagene Wagenräder aufbewahrt. Damit konnte man einzelne im Zeughaus gelagerte Feldstück in Laden feldbeweglich machen. Wahlweise konnte man sie sicherlich auch als Ersatzrad verwenden.

Kleines Glossar:

veldt stück
Feldstücke. Hier sind vermutlich die fünf 1541 schon inventarisierten 2-Pfünder “Falkon” gemeint sein, die  “Kleine Stücke” wären dann als Falkonets anzusprechen wie auch die zwey feld stück uff hohen rädern.

uff hohen rädern
Geschützrohr auf Lafette mit großen Rädern (im Gegensatz zum kleinrädrigen “laden“, s.u.)

in laden
Unter “Laden” versteht man eine besondere Art der Geschützbettung, die nach herrschender Meinung im Zusammenhang mit “Feldstück” eine Kasemattlafette war.

ohne schafft
ohne schafft” bedeutet: ohne Lafette oder Schießbock. Es war also nur das Rohr vorhanden.

Im Gegensatz zu den “Legestücken” war die Wagenbüchse (synonym “Karrenbüchse”) als Feldgeschütz mobil einsetzbar. Bei der Benennung des Geschütztyps zog man die Art der Beweglichkeit, z.B. des Fuhrwerks, heran.

Im Neuscharfenecker Waffenverzeichnis von 1600 ist die Existenz einer “gross schlang uff karch“, welche zum Schutz vor der Witterung im Stallgebäude der Vorburg stand. Dieses Geschütz konnte z.B. aus dem Westfenster des Wirtschaftsgebäudes wirken, oder aber auf dem Karren in eine Stellung auf die geglättete Fläche um die äußere Vorburg (genannt “Kanonenplatte”) hinausgeschoben werden. Es könnte sich hierbei um eine Halbschlange (9-Pfünder) gehandelt haben. Näheres siehe unter “Halbe Schlange”.

Halbe Schlange. 9-Pfünder, 15. Jh.
aus: Kriegsbuch des Reinhard von Solms

“Schlange” war seit dem 15. Jahrhundert die Bezeichnung für ein Geschütz, das im Verhältnis zum Kaliber ein besonders langes Rohr hatte und im Vergleich zu den “Kartaunen”  ein relativ kleines Geschosskaliber aufwies.

Die Halbe Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit sowie großer Durchschlagskraft, das sowohl bei Belagerungen gegen schwächere Mauern wie auch in der Feldschlacht (Feldschlange) eingesetzt wurde.

Die “Halbe Feldschlange”  war ein 9-Pfünder mit einem Kaliber von 107mm und einem Rohrgewicht von ca. 1,7 Tonnen.

Auf Neuscharfeneck war 1541 eine “gross schlang uff karch”, vermutlich eine Halbe Schlange auf einem Karren erfasst, möglicherweise für den beweglichen Einsatz außerhalb der Burg.  In einem späteren Verzeichnis von 1605 wurden im Inventar sogar “3 halbe schlangen” erfasst.

Falkon-Rohr auf Festung Königstein (Sachsen)

Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg.  Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehört zu den kleineren Schlangengeschützen mit einem Rohrinnenkaliber von 68mm und einer Rohrlänge von 170cm in der kurzrohrigen Variante (22 Kaliber)

In Burgen kamen überwiegend kurzrohrige Varianten  zum Einsatz, weil die Platzverhältnisse für das Laden einer Langrohrvariante häufig nicht ausreichten.

Auf Neuscharfeneck waren 1541 sechs 2-Pfünder erfasst.

Kurzrohriges Falkonet auf Radlafette

Kurzrohriges Falkonet auf hochrädriger Wandlafette, Veste Coburg

Das Falkonet gehört zur Gruppe der “Schlangen”.  Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Falkonet war für den präzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.

Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.

Beim Kampf um Burgen kam das Falkonet häufig auf Dachplattformen von Geschütztürmen, wie z.B.  den Flankierungstürmen von Neudahn und der Schildmauer von Neuscharfeneck, zum Einsatz. Im Waffenverzeichnis von 1600 von Neuscharfeneck sind 2 “falckonetlin” als Zeughausbestand verzeichnet, die 1605 dann als “Feldstück uff hohen Rädern” verzeichnet wurden.  

Serpentinel (1/2-Pfünder)

Serpentinel, Kaliber 34 mm, Hinterlader mit vertikalem Blockverschluss, Rohrlänge 202 cm, Rohrgewicht 35 kg, Gewicht Lafette 27.6 kg,

Das Serpentinell konnte  gezielt im Kampf gegen feindliche Geschütze und Offiziere eingesetzt werden. Aufgrund des geringen Gewichts konnte es schnell verlagert werden.

Der Einsatz von Serpentinells auf dem  Neuscharfeneck ist nicht nachgewiesen. Ein Einsatz auf der Schildmauerplattform aber auch aus den beiden hochrechteckigen Scharten (#1, #7) der Schildmauer ist einsatztechnisch durchaus sinnvoll.

 

Doppelhaken, Rüstkammer Veste Coburg, 17. Jh.

Der Doppelhaken wurde 1521 von Karl V. gegen Parma erstmalig eingesetzt, später auch zur Verteidigung von Wehrbauten. Folglich konnte dieser Waffentyp bei der Planung des Ausbaus der Schildmauer (1468 – 1471) noch keine Rolle gespielt haben. ist aber in Waffenverzeichnissen von Neuscharfeneck später nachgewiesen. So wird im Verzeichnis von 1541 ein Bestand von 21 “Doppelhacken” am Zugang zur Schildmauer verzeichnet, weitere 23, “samt ettlich” Zubehör “uff dem Mantell” (auf der Schildmauer).

Das Rohr des Doppelhakens misst 1 ,5 – 2 Meter und wurde entweder auf einem häufig mit Eisenspitzen versehenen Fuß gestützt, oder auf einem Bock mit Rollrädern, oder auch nur auf die Brüstung der Mauer gelegt.

Verschossen wurde aus ihnen eiserne Kugeln, Bleikugeln oder eiserne mit Blei ummantelte Kugeln.

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