Angriffstaktik im Hochmittelalter
Einbruch in die Burg durch Unterminierung
Wenn der Sturmangriff über und durch die Mauer erfolglos geblieben war, so konnte neben der Aushungerung noch zum zeitaufwändigen und kräftezehrenden Mittel des Minierens gegriffen werden. Dabei wurden ein oder mehrere Stollen durch den Fels getrieben, um entweder
- die Burgmauer zu unterminieren, d.h. durch Abbrennen eines Feuers unter dem Fundament des Mauerwerks dasselbe zum Einsturz zu bringen oder
- unter dem Bering hindurch einen Zugang in die Kernburg zu erzwingen.
Beispiel 1 – Bewartstein 1314
Die Burg Berwartstein wurde 1314 von einer Allianz der Städte Straßburg und Hagenau belagert, weil von dort aus angeblich Bürger und Geistliche der Städte widerrechtlich verschleppt worden waren und damit durch Eberhard v. Berwartstein der Landfrieden gebrochen wurde. Die Belagerer beschossen und attackierten die Burg längere Zeit ohne Erfolg. Man nimmt an, dass auf dem Nestelberg, wo heute die Reste der Kanonenturmes “Klein-Frankreich” stehen, eine Blide aufgebaut worden war und den Berwartstein aus 300 Meter Entfernung bewerfen ließ. Bei Aufräumungsarbeiten Ende des 19. Jhdt. auf Berwartstein hat man einige grob bearbeitete Blidensteine gefunden.
Gleichzeitig wurde der Berwartstein unterminiert. Vermutlich starteten die Belagerer mit ihren Grabungen am Halsgraben im Schutze von Katzen. Durch die spätere Überbauung dieses Bereichs (Bild 1) lässt sich der Ausgangspunkt der Grabung nicht mehr genau bestimmen. Weiter oben im Fels (Bild 2) ist hingegen der Minenschacht zu erkennen, durch den sich die Mineure nach oben gegraben haben. Der Schacht könnte mit einer Balkenkonstruktion und Leitern begehbar gemacht worden sein. Auch soll der Sandstein durch Feuer spröde und leichter bearbeitbar gemacht worden sein. Die These, dass die Brandtechnik bei der Aushöhlung des Berwartstein tatsächlich angewandt wurde, wird durch vier in der Felswand erkennbare Durchbrüche für Luftzufuhr und Rauchabzug gestützt. Die Gräber sollen täglich 1m vorangekommen sein.
Nach fünf Wochen übergab Eberhard v. Berwartstein schließlich die Burg. Der Schacht war zu diesem Zeitpunkt schon dicht an das auf dem Oberburgfelsen sitzende Haus getrieben, wobei das stetig näher kommende Hämmern zusätzlich an den Nerven der Belagerten gezerrt haben dürfte
Beispiel 2 – Altwindstein (Elsaß) 1332
In der pfälzisch-elsässischen Region wurde im Jahr 1332 die Raubritterburg Altwindstein 10 Wochen lang durch eine Allianz wiederum aus Straßburg und Hagenau belagert und nach ergebnislosem Angriffsversuchen mit vier Bliden und zwei Katzwagen letztlich erfolgreich unterminiert und zur Übergabe gezwungen.
80 Handwerker trieben zwei Stollen unter die Burg. Einer endet unterhalb eines Überhangs des Felsgrates; ein weiterer kurzer Gang querte den Felsgrat und endete oberhalb der Unterburg. Ein von den Verteidigern der Burg begonnener Gegenstollen startet am Haupttor der Burg und endet blind wenige Meter vor dem Gang der Belagerer. Im Sandsteinfelsen von Altwindstein war nicht mehr als 25 cm täglich voranzukommen.
Beispiel 3 – Löwenstein (Elsaß) 1386
Und wieder war eine von Straßburg geführte Allianz gegen eine niederadelige Burg, hier war es der Löwenstein des Hans Streiff, vorgegangen. Dass sich Streiff nicht auf der Burg befand, störte wenig. Das Kommando hatte der Burghauptmann Albrecht von Hohenhardt. Die Belagerung war wohl mit unzureichenden Kräften begonnen worden, Verstärkungen aus den Städten trafen erst sukzessive ein. Von einer systematischen Belagerung kann daher nicht gesprochen werden. Aus den Berichten an den Rat von Straßburg kennt man Details. Der Kampf wurde zunächst mit leichten Waffen (Armbrüsten) geführt. Ein Vorwerk aus Holz konnte gestürmt und abgebrannt werden. Ein zweiter Angriff gegen die Burg wurde mit Brandpfeilen vorgetragen, ohne jedoch größeren Schaden anzurichten.
Dann wurde “Belagerungswerk” aufgebaut (gemeint war wahrscheinlich eine Katze), die aber nicht in Betrieb genommen werden konnte, weil das erforderliche Personal nicht verfügbar war. So wurden 20 Steinmetzen und 8 Schanzgräber (heute würde man sie als “Sappeure” bezeichnen) angefordert, um den Fortgang der Belagerung mit einer Unterminierung zu ermöglichen. Diese Verstärkung traf wenige Tage später am Ort der Geschehnisse ein.
Schnell arbeiteten sich die Schanzgräber an den Graben von Löwenstein heran. Der Belagerungsführer ergriff die Gelegenheit, um dem Burghauptmann die Aussichtslosigkeit seiner Situation zu verdeutlichen. Kurz darauf ergab sich der Verteidiger und übergab den Löwenstein. Er und 19 seiner Mannen mussten Urfehde schwören.