Die Burgordnung von 1577

Quelle: Staatsarchiv Wertheim
Die Burgordnung von Burg Neuscharfeneck aus dem Jahre 1577. 

Burgordnung Neuscharfeneck (Ausschnitt)
Staatsarchiv Wertheim

Es gibt verschiedene Dokumententypen, die als Quellen südwest-deutscher Burgengeschichte herangezogen werden können, z.B. Rechnungen, Burginventare, Kostenvoranschläge für Schadensbehebungen oder Baudokumente. Eine Burgordnung, die Regeln für ein geordnetes Zusammenleben auf der Burg aufstellt, war selbst in der Frühen Neuzeit eher unüblich und so ist diejenige , die Graf Heinrich von Löwenstein im Jahre 1577 für Neuscharfeneck anordnete, die einzig bekannte für eine Pfälzer Burg. Da Graf Heinrich zugleich Gerichtsherr über seine Herrschaft war, konnte er die Rechtsfolgen eines Verstoßes definieren und sorgte damit sicherlich für eine hinreichende Motivation bei seinen Untergebenen, sich daran zu halten. Das Dokument wurde im Staatsarchiv Wertheim entdeckt.

“Ordnung und befelch, so wirr wollen, das auff unserm haus Scharpffenck und haushaltung jeder zeit, von jederm unserm diener bey straff peenn leibs undt unserer ungnadt gehalten werden solle – so begann die Hausordnung.

An erster Stelle stand die Pflicht, den Gottesdienst zu besuchen, sowie Fluchen und Gotteslästern zu unterlassen.

Der  zweite  Punkt regelte  den  Hausfrieden,  denn  bei  den  Knechten  kam  es  immer wieder zu Schlägereien. Bei einem “nassen Händel”, also bei Blutvergießen, drohten Leibstrafen bis hin  zur  Enthauptung.  Ein  weiterer  Punkt  schützte  das  weibliche  Gesinde  vor  Übergriffen  des männlichen.  Bei “höchster  leibstraff”  wurde  verboten,  eine  Frau  mit  Worten,  Possen  oder Tätlichkeiten zu beleidigen. Söldnern und dem Stallgesinde wurde Mäßigkeit anbefohlen, man sollte sich  beim  Trinken  nicht  “mit  Wein  überladen”.  Die  “reysigen  knechte” (Anm.: angeworbenen Söldner) mussten unter “eyd” dem Burgherren Treue halten. Wenn die Stalljungen die Ställe nicht ordentlich ausmisteten, drohte ihnen körperliche Züchtigung. Bei den Mahlzeiten durfte niemand “zum Tisch laufen wie die Sau zum Trog“, und das Gesinde sollte sich zeitig ins Bett begeben, damit “wir und andere Leute Ruhe vor ihnen haben mögen und das Licht nicht unnötig verbrannt wird.

Sie ist hier mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Wertheim  im Wortlaut wiedergegeben! 

Erstlich

So wollen und gebieten wir derohalben hirmit einem jeden dem wir zu gebieten haben, so auch bey uns in unseren diensten, behausung, hoffhal­tung ist undt sein will, bey höchster straff und unsrerer ungnadt, alle zeit so man predigen oder das wort Gottes verlesen wurde ungehindert zu der predig zu kommen, anzuhören und sein leben darauf bessern und sich des grosen greulichen fluchen, schwerens undt Gotteslesten und verachtung Gottes enthalte, das wirs in keinem weg von keinem gedencken zu leyden.

Zum anderen

Demnach wir alzeit vilerley seltzams gesindt haben, auch zur zeitenfrembde kommen und es sich offieiinahls seltzame abenteuhr zutragen und daruber den burckfrieden uberschreiten brechen undt schwechen, das das in keinem sinn noch gestat werden sol. Sie gebieten wir inen hirmit solchen alzeit steht fest unverbrüchlichen zu halten undt handt zu haben. Es solle keiner mit dem andern zancken neidische spottische scheltwordt auff ein ander ausgiesen, kein has und zorn auff den andern tragen, auch keiner dem andern ursach darzu geben, soll auch keiner dem andern im haus bey verlirung seiner rechten faust ein backen streich oder maulschell geben vil weniger einer den andern blut rustig machen oder aber uber den andern ein gewehr zucken, als schwerdt, buchsen, dolchen oder sonst was, damit einer den andern beschedigen mag, bey verlierung seines haubts, dan wir hirin gantz und gar kein ansehnis der person haben wollen, sondern den burckfrieden, wie bey unse­ren voreltern auch streng gehalten haben, darnach hab sich ein jeder zu richten und bedachts vor der thatt.

Zum dritten

Dieweil wir offternmahls verreiten, und etwan ein zeitlang ausbleiben, under des aber das gesindt seltzam durch ein ander lebt undt schwebt und dem sprichwort gleich kompt, wie man sagt, wan die katz aus dem haus ist, so lauffen die meus auff den bencken und wollen auff niemandt nichts geben. Dem also for zu kommen, wollen wir euch sampt und sonders ernstlichn befohlen haben, euch aber so wol stil, zuchtig, gehorsam zu verhalten, als wan wir selbst zugegen und da weren, auch unsere befolhene dienst eben so wol treulich ver richten undt und demjenigen so wie euch vor unserm abreysens alzeit stellen und anzeigen wollen, dem wir auch haus und alles vertrauen, eben so wol gehorchen, und was er euch in unserm namens oder von unsert wegens befelhens oder schaffens wirdt gleich so woll gehorsamlich fleissig aus richten, und versehen, als ob wirs euch selbstens zu thun befelhen. Dan der jenig, so wir by unsere stat schaffen werden, ein sondere INSTRUCTION, wes er sich zu unserem abwesens zu erhalten haben solle, auch wirdt er wider die billigkeit nicht begeren, vil weniger heysen oder zwingen.

Zum viertten

So kompt uns auch fiui undt wird uns von anderen frembden forgewo,ffen, wie das unser hoffgesindt, so unzüchtig mit unnutzen schandtbaren worten und wercken hin und wieder gegen die megtten und fremden frauen auch under sich selbst seyen, das ein grose pluttschand sey ( … ) auch wil schier kein magdt neben ihnen mehr dienen, dem zu begegnen, schaffen und gebieten wirr hiermit mit ernst bey höchster leibstraff er sey knecht jung oder wer da wolle, das diejenigen so in der küuchen nichts zu thun oder auch sonsten bey den megtten nichts zuschaffen haben, irer gantz und gar mussig gehen und das ihrig sie unverhindert schaffen lassen, sie weder mit worten wercken tribulieren, verwirren oder beleidigen, auch gegen inen oder niemandts solch schandt lose unnutze, unflettige gotlose wort unnd bossen ausgiessen oder treiben, sondern sie sollen jeder menniglichen zufrieden lassen ires beruffs und ampts warten und ver richten. Do wir auch einen oder mehr daruber in solchen erfaren erfriffen oder spüren würden, solle er nit allein genugsam gestrafft, sondern auch mit ungnadt vom hoff verstossen werden.

Zum funfften

Dieweil auch under unseren reysigen knechten gesindt und sonderlich den jungen und staliungen allerley unordnung ist, wollen wir inen auch hiermit gebotten haben, das sie sich stil zuchtig und messig halten, sich nit mit ubrigen wein überladen, es sey zu haus und sonderlich an frembden orten, damit do wir sie in derzeit der not zu haus zufeldt oder sonsten irer pflicht wer und eydt emanten und gebrachen musten, sie aber also solches von von uberflissigen .sauffen wie sie wol schuldig sein, nit verrichten kunten oder wurden, kennen sie selbs wolerachtens, inen solches kleinen lob und frummen bringen, dan sie an iren ehren selbst schuldig wurden. Derhalben gedencken wird inen in keinem weg zugestatten. Sondern das sie fein stil from Gotsfertig leben, da das glück und heil bey ist, das irig undt ihres befolhen dienst und pferdt treulich fleissig verrichten und versehen. Die stal jungen dahin, das sie sich auch erlich und wol, ir sachen mit auswischen versehen, die stel und anders sauber rein halten und nit alles also liderlich verlieren und verschlaudern. Und so sie es nit mit guten worten thun wollen, wollen sie die feust und streugablen nit spahren, do sich auch ein jung darwider lenen wolt, bösse wort ausgiessen oder sich zur wehr stellen, was solches anzeigen, wollen wir im drum wol finden, das ers gewahr werden solle, würde aber nit lachen.

Zum sechsten

Dieweil offtermahls vii seltzam fremnbdes gesindt herkommen, den man wol under die augen, aber nit ins hertz sehen kan, dan nit jedem jetziger zeit zuvertrauen, wollen wir, das keiner unseres hoffgesindes einen fremden ohn unser wissen undt willen, das haus gelegenheit zeige, auch hin und wider in die gemach füre oder zeige, es sey dan der uns wolbekant und nachbauhr sey, doch sollen sie zuvor fragen.

Zum siebenten

So ist auch uns forkommen, das man wir fröner oder weiber so uns fronen haben haben‚ komen sie von dem gesindt nicht ungeirret bleibet, darohalben gebieten wir das sie sie zu friden und das ihr unverhindert schaffen lassen.

Zum achten

So sehen und spüren wir, das kein forcht, ehr oder schamen auch kein respect der Person bey ihnen ist, gleich wol gegen uns als bei der junckern, und frembden, welches uns ein verkleinerung ist und spotlich zu leiden ist, und auch jenen so es frembdte sehen kein lob bringt, darhalben solten sie sich selbst schemen und sich nit also ungeburlichen, grob, beurisch gegen menniglich verhalten.

Zum neunten

Sehen und erkennen wir auch alle unordnung, wan sie zu tisch gehen oder sitzen undt lauffen gleich zu tisch wie die seu zum trog. Derhalben wollen wir das sie alzeit wan sie zu tisch gehen betten, auch sollen sie nit anfangen zu essen sie seyen dar alle bey einander und solle inen der becker zuvor es sey zu suppen, mittag, undertrunck oder nachtimbs alzeit zusamen ruffen oder leuten und wan sie dan bey ein ander sein, als den erst das essen aufftragen auch sollen sie stil zünftig fortessen, und nit ein geschrey und gelechter haben wie die zanbrecher das mans in der gantzen stuben genug habe, auch wollen wir inen verbotten haben, das wan wir in der stuben zugegen oer bey unserem tisch sitzen und sein, das sie ir gugelfur und gelächter treiben und einer hier lig und schlafft und schnarch wie ein schiffer hundt der ander da, als wan sie bey den groben bauwern weren.

Zum zehenden

Wollen wir das diejenigen so imfeldt zu thun haben sich alzeit bey rechter fruer zeit auffmachen und an ir arbeit gehen und versehen. Ferners wollen wir auch keim gestatten wir seyhen zu haus oder nit, ohn bewegliche ursach ubernacht aus dem haus zubleiben, auch soll keiner ohn unsere erlaubnis, oder desjenigen so wir das haus befehlen, aus dem haus gehen, auch keinen frembden er ken in dan gantz wol hereinen füren, weiter nach folbrachter tag zeit und nacht imbs soll sie sich bey zeit, so nicht zu warten haben, schlaffen machen. damit wir und andere leut ruh vor inen haben mogen, und das licht auch nicht unnutzlich verbrant werde.

Solches haben wir euch fürzulesen befolhen, damit ir euch dar nach zu richten und zu geleben habett, wollen uns auch forbehalten haben solches jederzeit zu mindern undt zu mehren, nach unserm besten raht und frommen und ir werdet dem also treulichen nach kommen, wer das thun will sprech

Ja

Dan wir solches alles stet fest unverbrüchlichen wollen von meniglichen unseren diener wollen gehalten haben. gegeben, versigelt und forgelesen auff unserem schlos Scharpffeneck, den sambstag for martini ad L XXII (A.d.V.  1577)

Heinrich

Grav von Lewenstein,

Her zu Scharpffeneck.

 

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