Die Kanonenburg Drachenfels
Während des Angriffs der fürstlichen Truppen am 10.Mai 1523 auf den Drachenfels wurden vom Verteidiger lediglich 2 Schüsse aus Hakenbüchsen abgegeben. Zu schweren Kampfhandlungen kam es nicht, die ausweglose Situation endete mit der Übergabe gegen Zusage freien Geleits. Der Chronist gibt zwar Auskunft über die fürstliche Kriegsbeute, darunter
zymlich gut geschütz, pulver nach aller notturft, wie in ein solch schloß zu haben gebürt,
ohne jedoch auf Anzahl und Typen näher einzugehen. Auch liegen keine Inventare vor, die darüber Auskunft gegeben hätten. Was bleibt ist die Analyse des aktuellen Baubefunds und die sich aus der Geländebeaurteilung ergebenden Folgerungen für einen wirkungsvollen Pulverwaffeneinsatz auf der Burg Drachenfels.
Fest steht, dass Drachenfels Ende des 15. Jh. zur Kanonenburg ausgebaut wurde. Das war etwa 20-30 Jahre nach der Umgestaltung der Burg Neuscharfeneck durch KF Friedrich I.. Dieser ließ dort bestehende Wehrelemente, insbesondere die Schildmauer, defensiv durch Kasematten verstärken, fügte aber auch offensive Abwehrelemente durch Positionierung von langrohrigen Geschützen auf der Schildmauerplattform hinzu.
Auf Burg Drachenfels war der verfügbare Platz für das Ansetzen von mächtigen Rondellen, wie wir sie auf Neudahn, der Hardenburg oder dem Nanstein sehen, zu beschränkt. Die Aufrüstung zur Kanonenburg musste sich also wie beim Neuscharfeneck auf die Ertüchtigung bestehender Bauelemente beschränken. Die umfassendste bauliche Änderung war die Platzierung eines “Geschützrondell” genannten Wehrbaus am (freien) Platz des Halsgrabens.
Ein nennenswerter Vorteil im Feuerkampf gegen potenzielle Schanzen eines Angreifers aus überhöhter Stellung wurde aber vor allem durch Ertüchtigung der Turmplattformen (2) & (5) zu Waffenträgern und durch Aushöhlung des Burgfelsens (6) & (7) auf der Oberburg erreicht.
Ostzwinger vor dem Torturm
Torturm
Der mit schönen Buckelquadern verkleidete Torbau ist gegenwärtig zweigeschossig und noch immer 17m hoch, muss früher aber drei oder vier Geschosse besessen haben. Seine Mauerstärke zwischen 3 und 8 Meter belegen die außerordentliche Bedeutung, die der Turm im Verteidigungskonzept der Anlage einnahm. E. Braun nimmt an, dass im und auf dem Turm leichte kasemattierte kürzere Rohre und auf der Plattform langrohrige Feldschlangen zum Einsatz kamen.
(Licht-)Schlitze im Keller des Westbaus
Die zwei schartenähnlichen Öffnungen in der Südwand des Kellers im Westbau der Unterburg werden vielfach als Schießscharten angesprochen. Tatsächlich handelt es sich hier um Lichtschlitze, da das heute freie “Schussfeld” zum Zeitpunkt der Errichtung des Kellers durch eine Wand versperrt war und zudem keine Möglichkeiten für einen treffsicheren Anschlag des Schützens boten. Für den Liegendanschlag eines Hakenschützen ist die Scharte zudem zu schmal.
Wendeltreppenerker mit Schlitzscharte
Oberhalb des westseitigen Ausgangs aus dem Torhaus befindet sich in einer flach ausgewölbten Schießkammer eine lange Schießscharte, die nach Südwesten zeigt, also nicht auf die Treppe wirkt. Die Schartengröße erlaubte den Einsatz einer Pulverhandwaffe.
Flankierungsturm am Treppenaufgang
Der rechteckige Flankierungsturm zählt zu den ältesten Burgelementen. Der ehemals dreigeschossige Turm mit einer Grundfläche von 7 x 9m besitzt etwa 2m dicke Umfassungsmauern.
In der 2. Ebene öffnet sich nach Osten eine große Öffnung zur dicht bebauten östlichen Unterburg. Wegen der dichten Bebauung ist kein ausreichendes Schussfeld für größere Kaliber gegeben (Abb.1+2).
Der heute nur noch als Stumpf vorhandene Flankierungsturm dürfe insbesondere in seiner Südseite (Abb. 3) auf mehreren Ebenen Kanonenscharten aufgewiesen haben, wobei ich davon ausgehe, dass das bis zur Oberburg hinaufreichende Dachgeschoss Wohnzwecken diente.
Wächterkammer am Treppenaufgang
In der Wächterkammer am Knick der Felstreppe unterhalb der Oberburg wurde ein Geschützstand für ein kleines Kaliber von
1 bis 2 Pfund auf einer Radlafette oder einem Schießbock in den Fels gemeißelt.
Der Einsatz einer Hakenbüchse aus dieser Scharte scheint mir nicht erfolgversprechend, da die Scharte keine Vertiefung zum Absenken der Handwaffe für das Bekämpfen von Zielen innerhalb der Kampfentfernung aufweist.
Geschützstellung in Felskammer
In der Oberburg auf dem Ostfelsen wurde eine 2m tiefe Geschützkammer in den Fels gemeißelt, die nach Süden ins Tal und auf den Gegenhang wirken konnte. Der Geschützstand ist hinten 1,5m breit und hat eine 60 x 40cm große Öffnung, die auf den Einsatz einer kurzrohrigen Kanone von 6 – 10 Pfund Geschossgewicht hinweist.
Die beiden Spurrinnen am Boden der Kammer kennzeichnen der Rücklaufweg der Lafette nach dem Abfeuern der Kanone. Entsprechend der Höhe der Schießöffnung handelte es sich bei dem hier eingesetzten Geschütz um eines auf einer (Kasematt-)Lafette, wie man sie von Kriegsschiffen her kennt. Das erhöhte zwar die Sicherheit der am Geschütz arbeitenden Geschützbedienung schränkte aber gleichzeitig den Seitenrichtbereich im Feuerkampf ein.
Kanonenrondell am Halsgraben, Nordseite
Die 1m starke, gewölbte Nordwand des überbauten Halsgrabens ist heute noch 6 Meter hoch und auf 2 Ebenen mit Schießscharten versehen.
Besprechung der Scharten
Links unten: Die nach NW zeigende Kanonenscharte misst etwa 1m in der Höhe und 80cm in der Breite und erlaubt den Einsatz eines großen Kalibers bis etwa 24 Pfund.
Rechts unten: Diese hochdreieckige Scharte misst 20cm an der Grundfläche bei 40cm Höhe und dürfte für ein Kleingeschütz bis etwa 2 Pfund Geschossgewicht ausgelegt gewesen sein.
Rechts oberhalb der Großen Scharte: Die 12 x 25cm messende Scharte ist für Handwaffen vorgesehen.
Ob sich darüber noch weitere Kanonenscharten befanden, darf angesichts der Statik der Mauer bezweifelt werden.
Eckhard Braun vermutet, dass auf einer vermuteten Plattformebene des Kanonenrondells ein langrohriges Geschütz zum Einsatz kam.
Kanonenrondell am Halsgraben, Nordseite
Es darf angenommen werden, dass das Rondell auf seiner Nordseite Geschützstellungen für zwei lange Rohre (Schlangen) hatte und darüber eine Reihe von schmaleren Scharten für Pulverhandwaffen.
Runder Flankierungsturm am Westzugang
Eine weitere Toranlage im Westen ist jüngeren Datums als der große Torturm (2). Der Stumpf eines Rundturmes hat sich erhalten. Darin sind noch drei querliegende Maulscharten für den Einsatz von Handfeuerwaffen zu erkennen, die auf eine Entstehung des Turms um 1500 schließen lassen.
Pulverwaffen auf Burg Drachenfels
Die “Halbe Kartaune” verschoss 24 pfündige Eisenkugeln des Geschosskalibers 150mm. Das Gewicht der Kanone betrug ca. 3,1 Tonnen.
Zwei der vier Halbkartaunen in der fürstlichen Artillerie, die 1523 vor den Drachenfels zogen, waren kurzrohrige Typen, die den Namen “Singerinnen” trugen.
Die Nachladezeit einer Kartaune betrug etwa 15 Minuten.
Auf Burg Drachenfels ist der Einsatz von 24-Pfündern aus den Geschützkammern des Torturms und des rechteckigen Flankierungsturms als Kurzrohrgeschütz, gebettet auf einer Kasemattlafette, vorstellbar.
Kartaunen gab es in lang- und kurzrohriger Ausführung und verschiedenen Kalibern von der Doppel- bis zur Achtelkartaune. Die Achtelkartaune verschoss 6-pfündige Eisenkugeln aus einem Rohr-Kaliber von 90mm.
Kurzrohrige 6-Pfünder kamen in nahezu allen Pfälzer Kanonenburgen zum Einsatz, da sie auch in kleinen Geschützwerken (ab 5 Meter Durchmesser) Platz fanden. Meist erfolgte der Einsatz in Burgen auf einer vierrädrigen Kasemattlafette.
Einsatz von 6-Pfündern auf Burg Drachenfels:
Ein kurzrohriger 6-Pfünder könnte in der Felskammer (7) der Oberburg gestanden haben. Weitere sind im Torturm möglich.
Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg. Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehört zu den kleineren Schlangengeschützen.
Einsatz von Falkons auf Burg Drachenfels
Auch auf dem Drachenfels könnten 2-Pfünder zum Einsatz gekommen sein, denkbar in der Felsenkammer (7) der Oberburg als Kurzrohrversion
Die Bettung wird auf einer niedrigen vierrädrigen Kasemattlafette erfolgt sein. Für eine hochrädrige Wandlafette dürfte die Höhe des Geschützstandes nicht ausgereicht haben.
Auch wird der Einsatz eines Zweipfünder in der rechten Scharte des Kanonenrondells (8) für wahrscheinlich erachtet.
Auch in der Wächterkammer (6) als Alternative zu einem Falkonet (1-Pfünder) denkbar.
Das Falkonet gehört zur Gruppe der “Schlangen”. Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Geschütz war für den präzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.
Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.
Einsatz von Falkonets auf Burg Drachenfels
Der Einsatz von langen Rohren auf den Plattformen des Geschützrondells (8), (9) und des Torturms (2) ist nicht belegt, aber einer Burg wie dem Drachenfels im Mai des Jahres 1523 durchaus standesgemäß , oder wie es der Reichsherold Caspar Sturm ausdrückt “(..) zymlich gut geschütz (..), wie in ein solch schloß zu haben gebürt”.
Das Serpentinell konnte gezielt im Kampf gegen feindliche Geschütze und Offiziere eingesetzt werden.
Serpentinells auf Burg Drachenfels
Das Vorhandensein auf Burg Drachenfels ist nicht nachgewiesen, ein Einsatz von den Plattformen des Geschützrondells (8), (9) oder des Torturms (2) oder dem Torwächterraum (6) einsatztechnisch aber durchaus sinnvoll.
Bei der Tarrasbüchse handelt es sich um ein kleinkalibriges Eisenstück bis 2 Pfund Geschossgewicht, für den Hagelschuss., welches in einer Blocklafette gebettet war.
Einsatz der Tarrasbüchse auf Burg Drachenfels
Es ist vorstellbar, dass dieser (1500 bereits veraltete) Waffentyp im quadratischen Flankierungsturm (5) und oder im Torturm (2) für kurze Kampfentfernungen zum Einsatz gekommen ist.
Auf Burg Drachenfels gab es rundum Schießöffnungen für den Einsatz von Pulverhandwaffen, z.B. auf/in
- dem Wehrgang (Hurde) an der Ringmauer der Unterburg (1)
- dem Flankierungsturm am Westtor mit 3 Maulscharten (10)
- der Wächterkammer am Ende der westlichen Treppenaufgangs (6)
- im den oberen Geschossen des Geschützrondells (8), (9)
- aus dem Wendeltreppenerker (4) am Torturm
- im rechteckigen Flankierungsturm (5)
Das Rohr des Doppelhakens misst 1 ,5 – 2 Meter und wurde entweder auf einem häufig mit Eisenspitzen versehenen Fuß gestützt, oder auf einem Bock mit Rollrädern, oder auch nur auf die Brüstung der Mauer gelegt.
Ob auf Burg Drachenfels bereits Doppelhaken zum Einsatz kamen, ist unklar. Die Waffe kam erst 1521 auf, war also zum Zeitpunkt der Zerstörung der Burg 1523 noch nicht weit verbreitet.
Einsatz von Do