Burg Neudahn: damals & heute

Vorab:  Nicht jede Rekonstruktionsskizze kommt der baugeschichtlich belegten Wirklichkeit nahe. Oft werden einzelne Bauelemente nicht stimmig dargestellt, manchmal fehlen sie ganz oder werden einer falschen Bauphase zugeordnet.  Manchmal fehlt aber auch eine belastbare baugeschichtliche Dokumentation, so wie bei Burg Neudahn. Deren Burg- und Famlienarchiv ging 1689 in praktischer Umsetzung der Mélacschen “Verbrannte-Erde-Strategie” unwiederbringlich verloren.

Die mir vorliegenden Rekonstruktionsskizzen von Wolfgang Braun und Arndt Hartung sind von hoher Stimmigkeit mit der Bau- und Geländebeurteilung. Es trifft sich gut, dass unterschiedliche Blickwinkel – Braun aus Westen, Hartung aus Südsüdosten – angestellt wurden und somit ein fast 360°- Eindruck von der Burg entsteht. Beide Rekonstruktionen zeigen Neudahn nach dem Ausbau zur Kanonenburg etwa Mitte des 16. Jahrhunderts.

Es fällt aber auf, dass Braun einige Anregungen aus der früher entstandenen Hartungschen Skizze übernommen hat, die – wie nachfolgend dargelegt – nicht unumstritten sind, wie z.B. das Vorhandensein eines Halsgrabens, einer Torbrücke und einiger Wehrgänge.

Neudahn nach dem Ausbau zur Kanonenburg um 1530

1. Rekonstruktion Neudahns vonn Wolfgang Braun

Würdigung der Rekonstruktion von Wolfgang Braun

  1. Braun setzt dem Burgtor einen tiefen Halsgraben voran, der mit einer Brücke überspannt gewesen sein soll. Ob es einen solchen Graben im 16. Jh. oder davor gegeben hat, muss angesichts des Geländebefundes bezweifelt werden, hätte wehrtechnisch aber Sinn gemacht.
  2. Der Zugang zur südlichen Unterburg wird bei Braun durch einen überdachten Flankierungsturm und durch eine Riegelmauer mit Wehrgang gesichert, die den Batterieturm und den südlichen Flankierungsturm verbindet. Ich bin davon überzeugt, dass die Riegelmauer keinen Wehrgang trug. Im Zeitalter von Schusswaffen machte sich kein Angreifer mehr mit Widder oder anderem Belagerungsgerät direkt am Tor zu schaffen. Folglich war auch das Herabgießen von Flüssigkeiten oder Herunterwerfen von Steinen (vom Wehrgang aus aus einer Pechnase) auf einen sich am Tor zu schaffen machenden Angreifer zu dieser Zeit bereits antiquiert. In Neudahn wurde der Eingang mit Schusswaffen überwacht. Bei Braun fehlt die  heute noch gut sichtbare Handwaffenscharte zwischen Tor und Batterieturm. Weiteres Flankierungsfeuer vor das Tor war aus den drei Maulscharten des südlichen Bering (6) möglich und auch direkt aus dem Flankierungsturm. Die Untersuchung der Schießöffnungen der Batterietürme offenbarten allerdings einige tote Winkel beim Kampf gegen einen dicht herangerückten Feind.
  3. Der äußere Bering verläuft vom Flankierungsturm entlang der steil abfallenden Kantenlinie des steil abfallenden Hanges und nach zwei Knicks nach Nordwesten und Westen weiter zum nördlichen Flankierungsturm (hier nicht einsehbar). Da der nördliche Flankierungsturm eine Vollverschalung hatte, muss der Zugang über einen Wehrgang am Nordbering erfolgt sein. Braun hat in seiner Skizze den Wehrgang hier richtigerweise berücksichtigt.
  4. Braun konzipiert einen Zwinger, der die nördliche Unterburg, den Zugang zur Kernburg und den Renaissancetreppenturm sichert. Der Zugang zur Kernburg erfolgt über eine weitere Toranlage.
  5. Der Schiffsbugwird bei Braun mit einer Überdachung dargestellt, welche durch Balkenlöcher im Mauerwerk bestätigt werden kann. Es kann angenommen werden, dass die Überdachung eine zusätzlich nutzbare “trockene” Lagerstätte schuf.
  6. Die Vorbastei mit der um den Keil herumgeführten Zwingermauer liegt in Realität tiefer. Ansonsten hätten die drei auf Bodenhöhe in den Keil eingelassenen Scharten kein Wirkungsfeld gehabt und folglich keinen Sinn gemacht. Aus diesem Grund gab es dort mit Sicherheit auch keinen überdachten Wehrgang, so wie die Skizze es vermuten lässt.

2. Rekonstruktion Neudahns von Andt Hartung

Würdigung der Rekonstruktion von Arndt Hartung

Da die Hartungsche Rekonstruktion die ältere der beiden Aufbauskizzen ist, erübrigt sich die Frage, wer von wem Anleihe genommen hat.

  1. Hartung setzte dem Burgtor einen tiefen Halsgraben vor. Dieser war mit einer Brücke überspannt, die auf einem massiven Pfeiler ruht.  Ob es einen solchen Graben im 16. Jh. oder davor gegeben hat, was wehrtechnisch durchaus Sinn gemacht hätte, muss angesichts des Geländes und des Baubefundes bezweifelt werden.
  2. Die Riegelmauer mit dem Zugangstor zur südlichen Unterburg trägt bei Hartung einen Wehrgang
    Wie schon oben bei Braun ausgeführt, bin ich überzeugt, dass die Riegelmauer im Zeitalter der Pulverwaffen  keinen Wehrgang mehr trug.
  3. Bei Hartung liegt die Vorbastion auf dem östlichen Felsenriff deutlich tiefer als bei Braun, was realitätsnah ist.
    Hingegen hat Hartung den Keil und den Raum dahinter zum Kernfels nicht überdacht. Die drei Schießöffnungen im Keil sind in der Skizze nicht erkennbar. 
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