Analyse der Wehrfunktion der Burg Neudahn
Der Doppelbatterieturm - Herzstück der Kanonenburg
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25 Meter hohe Zwillingsbatterietürme
Neudahn wurde um 1530, nach dem Bauernkrieg, zur Artillerie tragenden (“Kanonen-“)Burg, ausgebaut. Das Kernstück der Verteidigung sind die knapp 25 Meter hohen Zwillingsbatterietürme, die eigentlich gar keine “Türme” sind, da sie innen miteinander verbunden sind und den Wohnbereich in der Bauhöhe nicht überragen. Auf vier Ebenen sind verschieden ausgerichtete und große Schießscharten angeordnet, die sich in ihrer Form zwar ähneln, aber unterschiedlich bestückt waren. Die hochrechteckigen Öffnungen in der etwas eingerückten Mitte des Doppelturmes sind Fenster, zugleich nutzbar als Schießöffnungen für Handwaffen (Arkebusen, Doppelhaken auf Bocklafette). Welche Kanonentypen auf welcher Ebene zum Einsatz kam, wird nachfolgend erläutert.

Grundriss Ebene 1
Der Baukörper besteht aus zwei unterschiedlich mächtigen Rundtürmen von 10,4 und 7,2 m Durchmesser, die mit einem Zwischenstück verbunden sind. Zur untersten Ebene gelangt man über eine Treppenspindel aus dem 1.OG aber auch ein an der Nordseite des Ostturms vorhandener direkter Zugang von außen ist vorhanden.
Besprechung der unteren (1.) Geschossebene mit ihren zwei großen Geschützständen und einer Fensteröffnung.

Löwen-Maulscharte in der EG-Ebene des Westturms
Die zweite Löwen-Maulscharte in der EG-Ebene des Westturms ähnelt der zuvor besprochenen Scharte des Ostturmes sehr. Sie öffnet jedoch nach Westsüdwest. Hier kam das schwerste Stück der Burg, nämlich eine Kurzrohrausführung einer Halbkartaune mit 24 Pfund Geschossgewicht, zum Einsatz. Da der Ostturm der größere der beiden Batterietürme ist, hätte man eine umgekehrte Anordnung erwartet. Wenn aber aus dem Westturm auf die bedrohliche Überhöhung des Sägköpfchens gewirkt werden sollte, so lag das Zielgebiet jenseits der kritischen 500-Meter-Marke, wo die Kampfentfernung einer kurzrohrigen Viertelkartaune im 16.Jhdt endete. Daher wird angenommen, dass der größere der beiden auf Neudahn stationierten Kartaunentypen im EG des Westturms eingesetzt wurde.

Maulscharte im Erdgeschoss des Batterieturms
Aus statischen Gründen kamen die schwersten Geschütze der Burg im Erdgeschoss des Zwillingsgeschützturmes zum Einsatz. Die Löwenmaulscharte des Ostturms misst innen etwa 60cm in der Breite und fast 40cm in der Höhe und erlaubte den Einsatz einer Viertelkartaune des Kalibers 114mm, mit der 12-pfündige Eisenvollkugeln verschossen wurden. Die Kanone war nach Beurteilung der Gegebenheiten auf einer niedrigen Vierrad-Wandlafette gelagert und besaß ein etwa 2 Meter – verglichen zur normalen Kartaunenrohrlänge – kurzes Rohr. Die Maulscharte ist im Gegensatz zu den Schießscharten der darüber liegenden Ebenen nicht als Brillenscharte geformt. Sie wartet aber außen mit einer kunstvollen Löwenfratze als Verzierung auf.

Licht- und Belüftungsöffnung im Mittelteil des Baukörpers
Die bizarr geformte Öffnung in dem leicht eingerückten Mittelteil des Baukörpers ist eine Licht- und Belüftungsöffnung. Ihre Form ist nicht original und entstand während Sicherungsmaßnahmen im letzten Jh.. Das Einrücken des mittleren Mauerteils entzog diesen einem direkten Beschuss und die Mauerstärken konnte daher geringer gehalten werden als an den Rundungen des Ost- und Westturmes.

Durchgängiges Tonnengewölbe auf der 1. Ebene
1. Ebene (EG): Das EG weist ein durchgängiges Tonnengewölbe auf. Der Raum wird durch zwei Schießscharten und ein Rechteckfenster spärlich erhellt. Links hinten erkennt man den einzigen Außenzugang zum Turm, ansonsten gelangte man nur über eine Treppenspindel (hinter der linken Mauerrundung links vorne) zur nächsten Ebene.
Bedenkt man, dass die im Turm eingesetzten Kanonentypen alle Vorderlader waren, die zum Rohrreinigen und Laden bis 3 Meter hinter die Scharte zurückgezogen werden mussten, und zudem Kanonenrohre von erheblicher Länge besaßen, wird deutlich, dass nur ein durchgängiger Raum den Einsatz schwererer Kanonen (12-24 Pfünder) ermöglichte.

Grundriss Ebene 2
Auf der 2.Ebene (von unten) befinden sich die meisten Schießscharten des Doppelbatterieturmes. Sie sind als Brillenscharten gestaltet, die außen – Im Gegensatz zur Ebene 3 – nicht mit einem Wulst versehen sind. Es folgt nun die Besprechung der zweiten Geschossebene (1.OG) mit ihren fünf Geschütz- und einer Fensteröffnung(en).

Maulschartenöffnungen auf der 1.Ebene des Ostturms
1.Ebene, Ostturm, Maulschartenöffnungen für den Einsatz von kurzrohrigen 6-Pfünder Geschützen auf vierrädriger Kasemattlafette. Die rechte der beiden Scharten ist zum Mittelbau angelegt und zeigt in südwestliche Richtung auf den Mehrsberg und ins Tal hinab. Die Schussbahn führt (aus Sicht des Kanoniers) rechts am Torturm vorbei.

Tonnengewölbe auf der unteren Ebene
Das 1. OG (Ebene 2) besitzt ein Tonnengewölbe, man sieht aber auch starke Sanierungsspuren, so dass sich über die ursprüngliche Gewölbeform keine abschließende Aussage treffen lässt.

Maulscharte für eine Viertelkartaune
Burgberge waren im Mittelalter stets abgeholzt, um freies Schussfeld zu erlangen, das Zielen zu ermöglichen und um Feindannäherungen frühzeitig zu erkennen. Der Blick durch die Scharte verdeutlicht den Kampfauftrag für den hier vmtl. eingesetzten 6-Pfünder: Kampf gegen Feindstellungen auf dem Höhenkamm oberhalb des Wieslautertales Richtung Dahn sowie der Hagelschuss (vergleichbar eines Schrotschusses) gegen bis an die Mauern vorgedrungenes Fußvolk war denkbar. Die wirksame Kampfentfernung der kurzen Viertelkartaune betrug mit 12 Pfund Eisen und einer 15-20° Rohrerhöhung etwa 500m. Mehr erfahren Sie hier.

Brillenscharte im Westturm
Blick auf eine Brillenscharte der 2.Ebene (1. OG) im Westturm. Der obere Teil der Scharte ist leicht ausgebrochen. Es fällt auf, dass alle Brillenscharten der 2. Ebene ohne einen schmückenden Wulstrand auskommen, während auf der 3. Ebene ebensolche vorzufinden sind. Aus der Scharte ist vermutlich ein 6-Pfünder Geschütz zum Einsatz gekommen. Sie zeigt nach West in Richtung des 550 Meter entfernten Sägköpchen.

Grundriss Ebene 3
Auf der 3. Ebene (2. OG) wurden bei der Restaurierung in den 1930er und Sicherungsmaßnahmen in den 1970-80er Jahren die Fußböden – man glaubt es kaum – um bis zu einem Meter abgesenkt, was dazu führt, dass die Schartenöffnungen für den heutigen Betrachter sich auf Brusthöhe öffnen. Dies kann zu falschen Folgerungen hinsichtlich des Waffeneinsatzes führen, indem man nun glaubt, dass selbst der Einsatz von auf hochrädrigen Wandlafetten gebetteten Geschützen nicht möglich war. Tatsächlich lässt die Innenabmessung der (allesamt) Brillenscharten von 33 * 21 cm den Einsatz von 2-Pfündern zu und auch die Statik und die Analyse des Wirkungsbereiches stützt die Annahme, dass hier kleinere Geschütze eingesetzt wurden.

Wohntrakt auf der 3. Ebene
Das 2. OG (3.Ebene) hat ein Kreuzgratgewölbe, dessen Untergurten teilweise erneuert wurden. Vorne rechts erkennt man die Treppenspindel, durch die man vom Wohntrakt auf der 4. Ebene weiter hinab steigen kann. Im Hintergrund ist ein einfaches großes Rechteckfenster sehen, welches sich nach Westen öffnet. Aus diesem Fenster konnte Problemlos auch eine Handwaffe eingesetzt werden.

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Die beiden weiteren Schlüsselscharten auf der 3.Ebene (2.OG) sind nach Süden ausgerichtet und aus ihnen konnte hinab in das Moosbachtal, wo ein möglicher Anmarschweg von Feindkolonnen lag, oder flankierend vor die Vorbastion auf eine denkbare Kanonenstellung eines auf dem östlichen Höhenrücken aufziehenden Feindes gewirkt werden.
Wie bei allen hoch angeordneten Scharten erkauft man sich die Erhöhung und die bessere Reichweite mit einem großen toten Winkel, einem nicht bestreichbaren Raum.

Brillenscharte auf der 2. Ebene im östlichen Batterieturm
Blick auf die nach Nordosten öffnende Brillenscharte im 2. OG (3.Ebene) des östlichen Batterieturms. Gut zu erkennen ist der äußere Zugang von der Inneren Burg in den Ostturm des Batteriebaus. Die Scharte wird in der nächsten Abbildung näher betrachtet.

Schartennische auf der 3. Ebene
Auf der 3. Ebene (2. OG) wurden bei der Restaurierung in den 1930er und Sicherungsmaßnahmen in den 1970-80er Jahren die Fußböden – man glaubt es kaum – um bis zu einem Meter abgesenkt, was dazu führte, dass sich beispielsweise die im Bild gezeigte Schartennische für den heutigen Betrachter auf Brusthöhe öffnet und somit als reine Handwaffenscharte klassifiziert wird (vgl. Quelle 3) . Tatsächlich ist der Einsatz eines 2-Pfünders nach meiner Meinung die einzig sinnvolle Bestückung dieser Scharte (siehe vorheriges Bild), aus der mit ausreichender Schussweite noch hinab ins Wieslautertal gewirkt werden konnte.

Brillenscharte im östlichen Batterieturm
Schießscharte im östlichen Batterieturm in der Zoom-Ansicht von Innen:
Die Brillenscharte hat Innenabmessungen von 33 * 21 cm und ist (entgegen der Beschreibung in Quelle 3, Seite 703) nie und nimmer eine reine Handwaffenscharte, denn sowohl die Schartengröße als auch die erforderliche Reichweite zur Bekämpfung von Zielen im Wieslautertal sprechen eindeutig für den Einsatz eines Kleingeschützes (2-Pfünders), wenn nicht sogar eines 6-Pfünders zur Unterstützung des Feuers vom nördlichen Flankierungsturm in das Wieslautertal. und die entlang führende Straße.
Die ganze Schartennische ist in der nächsten Abbildung (16/18) zu sehen.

Neudahn Wohnbereich und Dachebene
Luftbildaufnahme vom Wohntrakt Neudahns im 3.OG, der 4. (Plattform-) Ebene. Gut zu erkennen ist die Wendeltreppe (Bildmitte), die zu den Geschützstellungen im Baukörper führt. Auf der Dachplattform kamen – ähnlich wie auf den Flankierungstürmen im Norden und Süden – Schlangen zum Einsatz.