Analyse der Wehrfunktion der Burg Neudahn
Plan für die Verteidigung der Burg Neudahn von 1530
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Wie bereits dargelegt, war die Kampfentfernung für die mauerbrechende Artillerie des beginnenden 16. Jahrhunderts bereits auf 400 bis 500 Meter angewachsen, so dass ein Angreifer seine Geschütze nicht mehr in Kurzdistanz an der Feldseite der Burg heranführen musste.
Ein Verteidigungskonzept für die Burg musste demnach umfassen:
- Wirksames Distanzfeuer gegen gegnerische Artilleriestellungen (= offensives Abwehrkonzept)
- Fähigkeit zur Abwehr angreifenden Fußvolks auf nahe Distanz (= defensives Abwehrkonzept)
- Ausreichende Widerstandsfähigkeit gegen feindlichen Beschuss (= defensives Abwehrkonzept)
I. Feuer auf die Geschützstellungen eines Angreifers aus Osten
Um aus der Burg Neudahn auf einen Feind am Höhenkamm östlich der Burg zu wirken, benötigte es Geschützstellungen, die eine Höhenausrichtung der Geschütze gegen die Feindseite erlaubten.
Als bautechnische Umsetzung wurden Geschützstellungen eingerichtet
- auf den Dachplattformen der beiden Flankierungstürmen (mit je 7m Durchmesser) (2)
- im Körper des Zwilling-Batterieturmes (1)
- Auf der Plattform des (heute) 24m hohen östlichen Teils des Batterieturms, von wo aus der Einsatz von weitreichenden langrohrigen Geschützen, wie z.B. Falkons oder Halbschlangen, möglich war (3).
Aus den kasemattierten Stellungen im Doppelbatteriebau und aus den Feuerstellungen in der Spitze der Keilbastion hingegen war ein Distanzfeuer gegen einen Feindaufmarsch entlang des Höhenkamms aus Osten, wie die Inaugenscheinnahme und Analyse der Schießöffnungen im Baukörper des Batterieturmes ergab, nicht möglich.(4)
Die Durchmesser des Renaissance-Treppenturms ist zu gering, um auf seinem Dach eine Geschützstellung einzurichten.
II. Abwehr eines Frontalangriffs
Wie bereits in der Geländebeurteilung angesprochen, erlaubte das steil abfallende Gelände im Norden, Westen und Süden der in Spornlage erbauten Burg ein Heranführen von Belagerungsgeschützennur aus Osten entlang des Höhenkamms aus Richtung Dahn oberhalb des Wieslautertales. Von dort aus konnten durch Beschießung Breschierungen im Mauerwerk erzielt werden, durch die dann Fußvolk in die südliche Unterburg hätte eindringen können.
Zur Abwehr dieses Sturmangriffs musste der Bereich vor dem Tor mit Abwehrfeuer aus mehreren Stellungen überwacht werden können. Dies konnte aus den Maulscharten des Doppelbatterieturmes nur bedingt erfolgen: Er weist etliche tote Winkel auf und erlaubt kein lückenloses Bestreichen des Nahbereichs vor dem Burgtor.
Eine Schlüsselscharte für eine Handwaffe ist direkt neben dem Tor zu finden. Ob diese Stellung nach Feindbeschuss noch einsatzfähig gewesen wäre, darf bezweifelt werden.
Also mussten zusätzliche sog. „Streichwehren“eingerichtet werden, die den Feuerkampf noch auf kurze Distanz und im Kreuzfeuer erlaubten. Die bautechnische Umsetzung erfolgte durch den Einbau weiterer Feuerstellungen für Handwaffen in der südlichen Verbindungsmauer zwischen Bastion und östlichem Batterieturm. Die Schießöffnungen wurden zur Deckung der Schützen entsprechend klein gehaltenen.
Auch die Keilmauer und die den anstehenden Felsen umgebende flache Bastei weisen zwei Ausschussöffnungen für kleine Kaliber auf.
III. Widerstandsfähigkeit gegen feindlichen Beschuss
Um es vorwegzunehmen: die Mauerstärke des Batteriebaus betrug maximal 2-3 Meter, im zurückgezogenen Mittelteil des Verbindungsbaus noch weniger, was – wissend um den Niedergang des deutlich stärker befestigten Nanstein im Kanonenfeuer – nicht ausreichend war, um längerem Artilleriebeschuss standzuhalten.
So erklärt sich die Anlage eines spitzen Keils in die Feindseite, der die Funktion zu übernehmen hatte, feindliches Flachfeuer abzulenken. Ein solches Funktionselement erkennt man auch in der Schildmauer der Madenburg, wenngleich sie dort nicht so extrem spitz ausgeformt ist. Auf Neudahn sitzt in der Spitze des Keils eine Scharte für (Doppel-)Hakenschützen im liegenden Anschlag, flankiert von zwei weiteren. Im Sporn der Madenburger Schildmauer kam ein 2-Pfünder (Falkon), also ein Kleingeschütz, zum Einsatz.
Aufgrund der geringen Mauerstärke und dem Umstand des Vorhandenseins einzelner Scheinscharten (Scheinscharten sind Schießöffnungen, die dem Angreifer eine wehrhafte und bezogene Stellung vortäuschen, die faktisch aber gar nicht besetzt wurden, weil daraus keine lohnenswerten Ziele bekämpft werden konnten) , wird der Batteriebau in der Fachliteratur sogar “eher als Imponierbau denn als konsequenter Wehrbau” eingeschätzt (vgl. Quelle 3, Pfälzisches Burgenlexikon, Band III, S. 703).