Rätselhafter Turm

Rätselhafter Turm

Der rätselhafte Hauptturm

Der hohe schlanke Haupturm ist das weithin sichtbare Wahrzeichen von Burg Scharfeneck. Er wird meist als Bergfried klassifiziert. 

Bevor Du jetzt weiterliest, empfehle ich Dir einen Blick auf meine Ausführungen zum Bauelement Bergfried. So wird später hoffentlich klar, wo der Hauptturm von der Norm abweicht und warum er uns heute noch Rätsel aufgibt. 

Meine nachfolgenden Ausführungen zum rätshaften Hauptturm von Scharfeneck stützen sich auf die Analysen von Pohlit/Reither/Schlieger 2022, Quelle siehe Literaturverzeichnis.

Turmbeschreibung

Der heute freistehende Turm war usprünglich in den Mauerverlauf der Oberburg eingebunden. Seine  Seitenlänge beträgt 6,80 Meter. Nur die Bergfriede auf den Felsenburgen Erfenstein (5,5 x 4,8 m) und Meistersel (6 x 6 m) waren noch schmaler. Mit seiner früheren Höhe von vermutlich 24 Meter übertraf er die üblich Turmhöhe von kleineren Burgen. Durch diese Proportionen wirkt der Turm außergewöhnlich schlank. 

Der schlanke hohe Bergfried war nur über die hochgelegene Pforte betretbar. Vermutlich führte ein Aufstieg in Holzkonstruktion hinauf. Denkbar ist auch, dass ein Steg vom gegenüberliegenden Wohngebäude hinüberführte. Die Konsolsteine, die den Steg hätten tragen können, fehlen heute jedoch.

Die Buckelquader im unteren Teil des Turms lassen sich in eine Bauzeit von 1150 bis 1200 einordnen, die oberen in das 13. Jahrhunderts. Auf der Westseite (dort, wo die Pforte liegt) wurde bei ersten Sanierungen im Jahr 1861 die auf mittlere Höhe des Turms großflächig um den Eingang herum abgebrochene Buckelquaderverkleidung ersetzt (vgl. Lithograhie von Rothmüller).  Während dieser Arbeiten wurde vermutlich auch der einst rechteckige Sturz der hochgelegenen Tür durch einen Rundbogen ersetzt. Denkbar, dass bei diesen Arbeiten auch die das Eingangspodest tragenden Konsolsteine entfernt wurden.

Lithographie um 1839 Burg Scharfenberg von J. Rothmüller
Die Lithographie um 1839 Burg Scharfenberg von J. Rothmüller zeigt die großflächig ausgebrochenen Buckelquader auf der Westwand des Hauptturms.

 

Blick in das Innere des Turms

Zu dieser Zeit wurde wohl erstmals auch das Innere des Turms erkundet. Aufbauend auf der Skizze von Arndt Hartung vom Innenaufbau 1917 habe ich eine Rekonstruktion des Turminneren erstellt:

Schnitt in West-Ost-Richtung durch den Bergfried Scharfenberg     1 Schacht   2 Pforte     3 Schachtabdeckungen     4 Untere Kammer mit schmalem Südfenster  5 Obere Kammer mit Gewölbedecke    6 Balkendecke auf Konsolsteinen   7 Schmales Fenster      8 Luke zum Dach


Durch die Westtür (2) führt ein Gang in Türbreite etwa 2,60 Meter tief bis zur Turmmitte. Er endet vor einem tiefen zum Boden reichenden Schacht (1). Dieser hat eine Seitenlänge von um die 120cm. Ein über den Boden gelegtes Brett (3) sicherte vor dem Absturz in die Tiefe des Schachts. Um in die untere der beiden Kammern (4) zu gelangen, führte der Schacht erst noch ein Stück nach oben und war nur mit einer angestellten Leiter zu erreichen. Durch eine weitere Luke (3) erreichte man die untere von zwei Kammern (4), die eine Seitenlänge von 3,30 Meter aufweist. Diese Anordnung von Schächten und Kammern wirft Fragen auf. Konnte das die Konzeption einer  Verteidigungsanlage sein?  Die soeben virtuell betretene Turmkammer war durch eine auf Konsolsteinen ruhende Balkendecke von einer zweiten oberen Kammer abgetrennt. Jede der beiden Kammern war durch einen schmalen, etwa 110-120cm hohen Lichtschlitz (4) und (7) erhellt. Es handelt sich nicht um Schießscharten. Der Übergang zwischen den Stockwerken oder gar hinauf auf die Turmplattform ist unklar. Eine Nutzung als Wehrplattform oder als Wartturm ist nur für den Fall denkbar, dass die beiden Kammern im Turm nicht gerade mit Gefangenen belegt waren.  Dennoch wird in Rekonstruktionen der obere Turmabschluss mit einem Zinnenkranz und einem Pyramidendach versehen.  

Ein Gefängnisturm

Von außen lässt sich der Scharfenberger Bergfried nicht von dem üblichen Erscheinungsbild eines wehrhaften  Hauptturms unterscheiden. Der Innenaufbau nährt die Vermutung, dass es sich um ein Gefängnis gehandelt haben könnte. Sicherlich dienten Bergfriede auf anderen Burgen teilweise auch als Kerker. Dann aber meist im unteren Teil des Turms, in das Häftlinge durch das “Angstloch” hinuntergelassen und später auch versorgt wurden. Die Unterbringung im unterem Burgteil von Scharfeneck war alleine aus Platzgründen nicht denkbar. 

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