Aborterker und AborttĆ¼rme - Reinlichkeit auf Burgen
Aborterker und AborttĆ¼rme - Reinlichkeit auf Burgen
Ćberblick
Auf mittelalterlichen Burgen unterschied sich die Toilettenpraxis deutlich von der heutigen. Es gab damals noch keine WasserspĆ¼lung, andere Lƶsungen mussten herhalten. Hier einige interessante Aspekte, wie man im Mittelalter auf Burgen zur Toilette ging und wie die baulichen Voraussetzungen dafĆ¼r geschaffen und weiterentwickelt wurden. Aborterker und AborttĆ¼rme dienten der Reinlichkeit auf Burgen. Ich mƶchte mit nachfolgenden AusfĆ¼hrungen einem stark verzerrten Mittelalterbild von schmutzstarrenden und stinkenden Burgen entgegentreten.
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Entwicklung der Hygieneeinrichtungen auf Burgen
In weniger gut ausgestatteten Burgen oder bei einfachen WohnstƤtten des Gesindes war der Gang ins Freie die Regel, um die Notdurft zu verrichten. Oft wurden hierzu kleine Gruben mit nur geringer Tiefe im Erdreich ausgehoben. Sie waren Ć¼berwiegend mit Steinen ausgemauert oder mit Holzbrettern ausgeschalt.Ā
Eine frĆ¼he Entwicklungsstufe einer Abortanlage in Burgen ist der innerhalb der MauerstƤrke liegende Abtritt mit einer teils tief nach unten reichenden Ableitungsrinne oder -rƶhre, der nach auĆen lediglich durch eine kleine Abflussƶffnung in der Mauer zu erkennen ist.Ā
In einer nƤchsten Entwicklungsstufe sprangen die Ausflussƶffnungen der AbortschƤchte Ć¼ber die MauerflƤche vor, der eigentliche Abtritt lag aber noch in der Mauer und die FallschƤchte fĆ¼hrten schrƤg nach auĆen. Die FƤkalien konnten so in den Burggraben oder ins freie GelƤnde fallen, der Schacht musste nicht mehr regelmƤĆig entleert werden.Ā
Die beide vorgenannten Entwicklungsstufen sind heute in unseren pfƤlzischen Ruinen nicht mehr anzutreffen. Vermutlich wichen sie im Hochmittelalter moderneren angenehmeren Lƶsungen. So brachten Aborte mit Aborterkern eine deutliche Verbesserung der hygienischen VerhƤltnisse.
Schnell haben sie sich seit dem Hochmittelalter zum Standard auf Burgen entwickelt. Der Aborterker war aus Stein oder aus Holz gebaut. Manchmal gab es ihn auch als “Doppelsitzer”, bei dem zwei Abortkammern nebeneinander lagen. Die FƤkalien fielen frei weg an der Mauer nach unten und landeten an weniger frequentierten Stellen der Burg, so z.B. in einem Burgzwinger, einem Burggraben, einer Abortgrube oder einfach nur im GelƤnde.Ā
Bereits im Hochmittelalter lieĆen hochgestellte Burgherren vorhandene Aborterker turmartig ummanteln. Diese Anbauten nennt man heute Abortturm. In der Pfalz finden wir solche Bauten seit dem 11. Jh. auf den Burgen Schlƶssel, Steinenschloss, GrƤfenstein, Trifels und KƤstenburg (āHambach Schlossā).
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Anzahl von Abtritten
Zur Frage der Anzahl und Verteilung der Abtritte innerhalb einer Burg- oder Schlossanlage kƶnnen in der Pfalz keine reprƤsentativen Beispiele herangezogen werden. Denn viele der Abtritte sind bei den Zerstƶrungen der PfƤlzer Burgen, insbesondere im ausgehenden 17. Jahrhundert, mit der Burg untergegangen.Ā
Dessen ungeachtet kann angenommen werden, dass auf kleineren Burgen im Durchschnitt 3-5 Aborterker, verteilt auf die Wohn- und FunktionsgebƤude, vorhanden waren. Auf grƶĆeren Burgen kann sicherlich eine Zahl von Ć¼ber 20 Aborterkern angenommen werden. Auf Ganerbenburgen kƶnnte die Anzahl noch grƶĆer gewesen sein. Denn Abortanlagen waren in (mir bekannten) BurgfriedensvertrƤgen nicht als Gemeinschaftseigentum geregelt.
Selbst fĆ¼r die Wachmannschaften auf den TĆ¼rmen (Wachtturm Altdahn) und entlang der Ringmauer (GrƤfenstein, Landeck) wurde gesorgt und Abtritte fĆ¼r das Verrichten der Notdurft eingerichtet.
Heute zeugen oft nur noch Mauerƶffnungen mit darunterliegenden Kragsteinen von der Existenz einer frĆ¼heren Abortanlage. Im ruinƶsen Westpalas von Burg Lichtenberg kƶnnen beispielsweise alleine auf der Nordseite drei abgegangene Aborterker in zwei Stockwerken nachgewiesen werden.Ā Ā
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Lage und Verteilung von Aborten in der Burg
Aborte waren in fast allen Bereichen einer Burg anzutreffen. In der Hochphase des Burgenbaues im 12./13. Jahrhundert findet man Aborte im Palas, im Wohnturm, manchmal am Bergfried, aber auch in NebengebƤuden sowie in Wehrbauten (Ringmauer, WehrtĆ¼rme). Beim Ausbau der Burg zum Schloss in der frĆ¼hen Neuzeit sind die Abtritte dann als (indirekt beheizter) Anbau zu Wohn- und SchlafrƤumen zu finden.Ā
Aborte kragen an der AuĆenseite der GebƤude vor und waren naturgemĆ¤Ć so angeordnet, dass die FƤkalien nicht vor Fenstern oder an Stellen niedergingen, wo Wege entlang fĆ¼hrten.
Nur wenige der grƶĆeren Burganlagen besaĆen neben Aborterkern zusƤtzlich noch Ć¼ber einen Abortturm. Dazu unten mehr.
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Abortraum und Aborterker
Bei den AbortrƤumen handelt es sich um Nischen oder GƤnge im ƤuĆeren Mauerwerk, die bisweilen auch abgewinkelt sein konnten. Je nach MauerstƤrke konnte die GrƶĆe der AbortrƤume variieren. Durch sie gelangte man zum Aborterker. Der Erker saĆ auf mindestens zwei Kragsteinen auf und umfasste neben einer schmalen AuĆenschale den massiven Sitzblock und einen Standbereich davor.Ā
Erst im SpƤtmittelalter setzte sich allgemein der voll ausgebildete Aborterker durch, bei dem der Sitz vollstƤndig im vorkragenden Erker untergebracht ist und die FƤkalien nicht mehr auf einer schiefen Ebene nach unten abgeleitet werden mussten. Die Auslassƶffnung lag mehrere Meter oberhalb des heute anstehenden Erdbodens, damit ein Feind nicht durch diese Ćffnung unbemerkt in die Burg eindringen konnte.
Die Gestaltung der ZugƤnge zu den einzelnen Abtritten verwiesen in der Burg nicht immer auf den ersten Blick auf den Ort der Notdurft. Denn im Hochmittelalter wurden vermeintlich offene AbortrƤume entweder mit VorhƤngen oder Fellen verschlossen oder die Einsehbarkeit wurde durch ein Abknicken oder Abwinkeln des Abortraumes bzw. des Abortgangs erreicht. Es scheint aber erst ab dem 16. Jahrhundert zur Regel geworden zu sein, die RƤume mittels einer TĆ¼r zum āheimlichen Gemachā zu machen. So finden wir beispielsweise an den ZugƤngen zu den AbortrƤumen im Palas von Burg GrƤfenstein auĆen eine Profilkontur (Falz) in der Zarge, in die das TĆ¼rblatt im geschlossenen Zustand passte.Ā
Reinigungsmittel (hochmittelalterlich: āArschwischā): In der Kammer befanden sich seitlich kleine Nischen, in denen Wolle, Lumpen, BlƤtter, Farne oder Moos zum Reinigen aufbewahrt wurden.Ā
Luftzirkulation: Die AbortrƤume waren oft so konstruiert, dass sie eine gewisse BelĆ¼ftung hatten, um unangenehme GerĆ¼che zu minimieren.Ā
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Was ist ein Abortturm?
Sofern es die rƤumlichen Gegebenheiten zulieĆen, wurden in Palasbauten von Burgherren, die es sich leisten konnten, bisweilen mehrere Abtritte durch Ummantelung funktional zusammengefasst. Die in der Hƶhe und seitlich versetzt angeordneten Aborterker wurden dabei mit einem meist rechteckigen hohen Turm umbaut, die Sammlung und RƤumung der FƤkalien erfolgte in einem Zug.
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Welchem Zweck diente der Abortturm?
Als Zweck des Baus eines Abortturms wird in der Literatur hƤufig der āSchutz gegen direkten Beschussā genannt. Ich meine, dass man damit primƤr hygienische Verbesserungen verfolgte, indem die zu Boden fallenden Exkremente dem Blick entzogen und somit eine geordnete Entsorgung Ć¼ber groĆe Reinigungsƶffnungen im Sockel verbessert werden sollte.Ā
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Baudetails zum Abortturm des GrƤfenstein
Vor dem Bau des Abortturmes auf Burg GrƤfenstein befanden sich in der Nordostecke des Palas geschossweise versetzte Aborterker, die paarweise nebeneinander angeordnet waren. Sie wurden im 14. oder 15. Jahrhundert durch einen hohen rechteckigen Turm ummantelt. Seitlich und frontal im Turm erhƶhten Licht- und Luftschlitze den Komfort. Der Abortturm von Burg GrƤfenstein besteht aus unregelmƤĆigem glattem Mauerwerk mit Eckquaderung und ist noch gut erhalten.
Durch eine untere Abflussƶffnung wurden die flĆ¼ssigen ungeklƤrten FƤkalien Ć¼ber eine steinerne Rinne aus dem Turm in die Unterburg abgeleitet. Von einer umfassenden Kanalisation war man zu dieser Zeit allerdings noch weit entfernt. Die festeren Stoffe wurden regelmƤĆig auf Karren entsorgt. Hierzu gelangten die eingeteilten Kanalarbeiter (“Heymlichkeitsfeger”, auch genannt “NachtkƤrrner” oder “”Abtritt-RƤumer) durch die untere Reinigungsƶffnung in das Innere des Turms und befƶrderten die Stoffe fĆ¼r den Abtransport auf Karren zur DĆ¼ngung der Felder heraus.Ā Die Grubenentleerung fand Ć¼berwiegend nachts und nicht im Hochsommer statt, um die GeruchsbelƤstigung ertrƤglich zu halten.
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Fazit
Die Toilettennutzung auf mittelalterlichen Burgen war pragmatisch und funktional, oft ohne die Annehmlichkeiten, die wir heute gewohnt sind. Die Gestaltung der AbortrƤume spiegelt die hygienischen Bedingungen und die sozialen Normen der damaligen Zeit wider.
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