Waffeneinsatz in der Schildmauer von Neuscharfeneck

Scharten in der Schildmauer. Rechts sind die Scharten beschrieben.
Geschmiedete Hakenbüchse 16. Jhdt, HGM, Wien

Die Bezeichnung als “Hakenbüchse” kommt davon, dass auf der Unterseite ein Haken angebracht war, den man beim Anschlag  so in der Mauer einhängte, dass der Rückstoß beim Abfeuern der Waffe abgefangen wurde.  Man konnte den Haken aber auch von einem Schießbock abfeuern.  Der Haken eignete sich aufgrund seines relativ hohen Gewichts von ca. 30kg und seiner Schwerfälligkeit ausschließlich als Verteidigungswaffe. Sowohl Doppelhaken als auch Haken hatten noch keine Visiereinrichtungen (Kimme, Korn). Verschossen wurde aus ihnen eiserne Kugeln, Bleikugeln oder eiserne mit Blei ummantelte Kugeln.

Im Pulverwaffeninventar von Neuscharfeneck (1541) wurden 9 Haken auf einen Schießbock erfasst.

Doppelhaken, Rüstkammer Veste Coburg, 17. Jh.

Der Doppelhaken wurde 1521 von Karl V. gegen Parma erstmalig eingesetzt, später auch zur Verteidigung von Wehrbauten. Folglich konnte dieser Waffentyp bei der Planung des Ausbaus der Schildmauer (1468 – 1471) noch keine Rolle gespielt haben. ist aber in Waffenverzeichnissen von Neuscharfeneck später nachgewiesen. So wird im Verzeichnis von 1541 ein Bestand von 21 “Doppelhacken” am Zugang zur Schildmauer verzeichnet, weitere 23, “samt ettlich” Zubehör “uff dem Mantell” (auf der Schildmauer).

Das Rohr des Doppelhakens misst 1 ,5 – 2 Meter und wurde entweder auf einem häufig mit Eisenspitzen versehenen Fuß gestützt, oder auf einem Bock mit Rollrädern, oder auch nur auf die Brüstung der Mauer gelegt.

Verschossen wurde aus ihnen eiserne Kugeln, Bleikugeln oder eiserne mit Blei ummantelte Kugeln.

Radschlossmuskete (um 1600), verzierte JagdwaffeRadschlossmuskete (um 1600), verzierte Jagdwaffe
Radschlossmuskete (um 1600), verzierte Jagdwaffe

Die Muskete entwickelte sich bis ins 17.Jhdt. schrittweise zur Hauptwaffe der Infanterie (“Musketiere”) und löste damit die Arkebuse ab.

Die Muskete ist länger als die  Arkebuse und konnte somit eine höhere Geschossgeschwindigkeit erzielen, was einherging mit einer Erhöhung der Reichweite und der Treffgenauigkeit.

Viertelbüchse für der Verschuss von 10-pfündigen Steinkugeln mit Durchmesser 17 cm):  aus: Zeugbuch Kaiser Maximilians I. – BSB Cod.icon. 222, Innsbruck, um 1502
http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb00020956-6

Namensgebend für diesen Geschütztyp ist das  Steingewicht der zu verschießenden Kugel. Die Viertelbüchse hatte einen Rohrdurchmesser von ca. 17cm. Der Flug des Steingeschützes übertraf die Rohrweite der 24-pfündigen Halbkartaune um 2cm und erreichte fast das Kaliber einer Ganzkartaune. Die noch bis zur Zeit des Maxilian I.  hergestellten Viertelbüchsen wurden vom Typus der Kartaune für genormte Eisenvollkugeln abgelöst.

Für den Hagelschuss wurden jedoch keine Steinvollkugeln, sondern bis zu 20 Pfund Hackblei oder Arkebusenkugeln geladen.

Laut E. Braun stand in der Schildmauer von Neuscharfeneck möglicherweise ein 10-Pfünder (oder eine Viertelkartaune) auf  einer vierrädrigen Kasemattlafette (siehe unten) in einer der großen, dort 1472 angelegten, Kasematten.  Neuere Forschungsergebnisse die sich auf zeitgenössischen Waffeninventare stützen besagen jedoch, dass eine solch schwere Büchse nicht belegt ist.

Mit Lotbüchsen des 14./15. Jahrhunderts wurden Geschosse aus Blei (Lot) mit Kaliber von 3 cm bis 15 cm verschossen, was einem Kugelgewicht von 0,5 bis 16 Pfund entspricht. Von den größeren Lotbüchsen hießen die längeren Schirmbüchsen, nach den beweglichen Holzschirmen bei Belagerungen, die mit kürzeren Rohren nannte man anfangs Tarrasbüchsen.

Während Haken/Doppelhaken zu den Pulverhandwaffen zuzurechnen sind, gelten nachfolgend genannte Lotbüchsen bereits zur Artillerie.

Karrenbüchse (um 1520)
aus: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg126/0013

Im Gegensatz zu den “Legestücken” war die Wagenbüchse (synonym “Karrenbüchse”) als Feldgeschütz mobil einsetzbar. Bei der Benennung des Geschütztyps zog man die Art der Beweglichkeit, z.B. des Fuhrwerks, heran.

Im Neuscharfenecker Waffenverzeichnis von 1600 ist die Existenz einer “gross schlang uff karch“, welche zum Schutz vor der Witterung im Stallgebäude der Vorburg stand. Dieses Geschütz konnte z.B. aus dem Westfenster des Wirtschaftsgebäudes wirken, oder aber auf dem Karren in eine Stellung auf die geglättete Fläche um die äußere Vorburg (genannt “Kanonenplatte”) hinausgeschoben werden. Es könnte sich hierbei um eine Halbschlange (9-Pfünder) gehandelt haben. Näheres siehe unter “Halbe Schlange”.

Halbe Schlange. 9-Pfünder, 15. Jh.
aus: Kriegsbuch des Reinhard von Solms

“Schlange” war seit dem 15. Jahrhundert die Bezeichnung für ein Geschütz, das im Verhältnis zum Kaliber ein besonders langes Rohr hatte und im Vergleich zu den “Kartaunen”  ein relativ kleines Geschosskaliber aufwies.

Die Halbe Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit sowie großer Durchschlagskraft, das sowohl bei Belagerungen gegen schwächere Mauern wie auch in der Feldschlacht (Feldschlange) eingesetzt wurde.

Die “Halbe Feldschlange”  war ein 9-Pfünder mit einem Kaliber von 107mm und einem Rohrgewicht von ca. 1,7 Tonnen.

Auf Neuscharfeneck war 1541 eine “gross schlang uff karch”, vermutlich eine Halbe Schlange auf einem Karren erfasst, möglicherweise für den beweglichen Einsatz außerhalb der Burg.  In einem späteren Verzeichnis von 1605 wurden im Inventar sogar “3 halbe schlangen” erfasst.

Falkon-Rohr auf Festung Königstein (Sachsen)

Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg.  Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehört zu den kleineren Schlangengeschützen mit einem Rohrinnenkaliber von 68mm und einer Rohrlänge von 170cm in der kurzrohrigen Variante (22 Kaliber)

In Burgen kamen überwiegend kurzrohrige Varianten  zum Einsatz, weil die Platzverhältnisse für das Laden einer Langrohrvariante häufig nicht ausreichten.

Auf Neuscharfeneck waren 1541 sechs 2-Pfünder erfasst.

Kurzrohriges Falkonet auf Radlafette
Kurzrohriges Falkonet auf hochrädriger Wandlafette, Veste Coburg

Das Falkonet gehört zur Gruppe der “Schlangen”.  Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Falkonet war für den präzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.

Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.

Beim Kampf um Burgen kam das Falkonet häufig auf Dachplattformen von Geschütztürmen, wie z.B.  den Flankierungstürmen von Neudahn und der Schildmauer von Neuscharfeneck, zum Einsatz. Im Waffenverzeichnis von 1600 von Neuscharfeneck sind 2 “falckonetlin” als Zeughausbestand verzeichnet, die 1605 dann als “Feldstück uff hohen Rädern” verzeichnet wurden.  

Serpentinel (1/2-Pfünder)
Serpentinel, Kaliber 34 mm, Hinterlader mit vertikalem Blockverschluss, Rohrlänge 202 cm, Rohrgewicht 35 kg, Gewicht Lafette 27.6 kg,

Das Serpentinell konnte  gezielt im Kampf gegen feindliche Geschütze und Offiziere eingesetzt werden. Aufgrund des geringen Gewichts konnte es schnell verlagert werden.

Der Einsatz von Serpentinells auf dem  Neuscharfeneck ist nicht nachgewiesen. Ein Einsatz auf der Schildmauerplattform aber auch aus den beiden hochrechteckigen Scharten (#1, #7) der Schildmauer ist einsatztechnisch durchaus sinnvoll.

Abb.: “Feldstück” auf zweiachsiger kleinrädriger Kasemattlafette (gemeinfrei)

Die ortsfest in Kasematten positionierten Kanonen saßen anfänglich starr auf schwerfälligen Lafettenblöcken (zeitgenössischer Begriff: “Laden“), die entweder schon zweiachsig mit 4 kleinen Laufrollen (ähnlich wie in der Marine) oder noch gar nicht rollengelagert waren. (Klotzbüchse)

Die Aufhängung des Rohres mit Schildzapfen (so wie in dieser Abbildung) kam erst gegen Ende des 15.Jhdts. auf.

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