Neuleiningen - eine Kanonenburg?
Von Kurpfalz wurden 1504 zur Vorbereitung des spƤter sog. “Bayrischen Erbfolgekrieges” detaillierte Verzeichnisse aufgestellt, welche Ausrüstung durch welches Amt für den Kriegszug von KF Ruprecht I. v.d. Pfalz zu stellen hatte und welche Geschütze und weitere Ausrüstung in den kurpfƤlzischen Burgen vorhanden waren. Hiernach befanden sich auf Burg Neuleiningen zwar etliche Pulverhandwaffen, jedoch keine Kanonen.
HeiĆt dies, dass es auf Neuleiningen keine Geschütze gegeben hat? Zumindest für die Zeit nach 1504 ist dies zu verneinen. Zieht man nun in Betracht, dass in die beiden nƶrdlichen Türme des leiningischen Burgareals nachtrƤglich Schartenƶffnungen hineingebrochen wurden und eine Kuppeldecke für den Rauchabzug die vormalige Holzdecke ersetzte, dann liegt der Schluss nahe, dass die Burg Neuleiningen zu einem noch zu definierenden spƤteren Zeitpunkt mit Kanonen aufgerüstet worden ist.
Eine Kanonenbestückung noch vor dem Bauernkrieg 1525 scheidet nach meiner EinschƤtzung ebenfalls aus, weil es die finanzielle Lage des Grafen Kuno II., die zur Ćbertragung seiner Besitzrechte an seine Stiefschwester Eva führten, nicht erlaubt hƤtte. Der Zeitpunkt liegt also irgendwann zwischen 1526 und der Zerstƶrung im PfƤlzischen Erbfolgekrieg 1690 .
Folgt man Erhard Braun , dann zählt Neuleiningen zu den Kanonenburgen, weil hier ein bereits im Mittelalter vorhandener Verteidigungsbereich mit Artilleriegeschützen versehen wurde, so wie es in den Türmen von Neuleiningen angenommen werden kann.
Welche Geschütze können wo auf Neuleiningen auch ohne urkundlichen Nachweis angenommen werden?
A) Kernburg
- In den groĆen (heute stark beschƤdigten) oberen Ćffnungen im Nordostturm kann die Verwendung bis 6-pfündiger Kasemattgeschütze angenommen werden.
- Im Erdgeschoss des Nordostturms sind vom Hof aus drei sauber in die Fundamentmauern eingepasste Kammern für Kasemattgeschütze zu sehen (Abb. 1). Aus der zugesetzten Scharte (Abb. 2) ist auch der Einsatz einer (älteren) Tarrasbüchse für den Hagelschuss vor Graben und Burgtor vorstellbar.
- Das OG im Nordwestturm weist 2 Schartenkammern auf, die zunächst für Armbrustschützen vorbehalten waren und meines Erachtens später auch für Schlangengeschütze (1 oder 2-Pfünder Falkonet bzw. Falkon) tauglich waren.
B) Vorburg
- Die offeme Plattform eines Rundturmes an der Nordostkante der Vorburg scheint heute groĆ genug für den Einsatz eines Schlangengeschützes (Abb. 3). TatsƤchlich handelt es sich aber dabei um den “Wachenheimer Turm” der Stadtmauer, der ein Kegeldach mit Gauben trug.
- Die Stadt selbst besaĆ keine Kanonen.
Kanoneneinsatz auf Neuleiningen
Die Achtelkartaune verschoss 6-pfündige Eisenkugeln aus einem Rohr-Kaliber von 90mm.
Kurzrohrige 6-Pfünder kamen in nahezu allen PfƤlzer Kanonenburgen zum Einsatz, da sie auch in kleinen Geschützwerken (ab 5 Meter Durchmesser) Platz fanden. Meist erfolgte der Einsatz in Burgen auf einer vierrƤdrigen Kasemattlafette.Ā
Als Kurzrohrgeschütz, gebettet auf einer Kasemattlafette, ist ihr Einsatz aus den Geschützkammern der Nordtürme vorstellbar.
Die Schlange war ein typisches Flachbahngeschütz mit hoher Treffgenauigkeit, ideal zum Bestreichen der Zugangswege zur Burg.Ā
Der 2-Pfünder oder “Falkon” gehƶrt zu den kleineren Schlangengeschützen. Der Einsatz auf Burg Neuleiningen hƤtte als Kurzrohrvariante (wie abgebildet) aus den Kasematten in den Nordtürmen oder als Langrohrvariante auf den Turmplattformen erfolgt sein kƶnnen.Ā Im Turm würde die Bettung auf einer niedrigen vierrƤdrigen Kasemattlafette erfolgt sein. Für eine hochrƤdrige Wandlafette war die Hƶhe des Geschützstandes nicht ausreichend.
Das Falkonet gehƶrt zur Gruppe der “Schlangen”.Ā Es wird auch Falkonett, Falkon oder Achtelschlange genannt. Das Geschütz war für den prƤzisen Schuss konzipiert und ist nicht zu verwechseln mit der Falkaune. MIt 300kg Gewicht war es relativ beweglich.
Das Falkonet verschoss 1-pfündige Eisenkugeln vom Kaliber 5cm. Das Falkonet hatte bereits Kimme und Korn als Visiereinrichtung. Die Höheneinrichtung erfolgte mittels einer Schraubspindel.
Der Einsatz von Falkonets kƶnnte auf den Turmplattformen in Frage kommen.
Bei der Tarrasbüchse handelt es sich um ein kleinkalibriges Eisenstück bis 2 Pfund Geschossgewicht, für den Hagelschuss., welches in einer Blocklafette gebettet war. Obgleich im spƤten 16. und 17. Jhdt typologisch veraltet, hƤtte sie gegen FuĆvolk im Sturm , z.B. auf Brücke und Tor, im Hagelschuss gleiche Wirkung wie neue Büchsen (z.B. Tromblons) entfacht haben.
1504 wurden im ReiĆbuch folgende Waffen im KurpfƤlzer Teil von Neuleiningen erfasst:
- 5 Hakenbüchsen
- 7 Handbüchsen
- 3 Armbrüste, 2 defekte Winden, 200 Bolzen
- ¼ Tonne “aufgefrischtes” Pulver
200 Bleikugeln
Die Handfeuerwaffen konnten von den mit WehrgƤngen versehenen Mauerkronen, aus den grƶĆeren SchieĆfenster in den Türmen wie auch aus den Flankierungstürmen der Vorburg eingesetzt werden. Die Schlitzscharten(kammern) in den Ringmauern waren für Pulverwaffen zu schmal.