Der Bergfried
Der Bergfried
Definition
Mit “Bergfried” bezeichnet die deutschsprachige Burgenforschung seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts den unbewohnten und militärischen Zwecken dienende Hauptturm einer mittelalterlichen Burg. Vormalige Bezeichnungen “Berchfrit”, “Bervride” oder “Burgfried” sind heute nicht mehr geläufig. .
Besonders eindrucksvolle Bergfriede entstanden in der Blütezeit des hochmittelalterlichen Burgenbaus zur Stauferzeit (1138 – 1268). Man findet den Bergfried auf Pfälzer Burgen seit der Mitte des 12. Jahrhunderts.. Hierzu zählen u.a. die Bergfriede der Burgen Landeck, Frankenstein, Lichtenberg, Falkenburg, Gräfenstein, Hohenecken, Scharfenberg, Madenburg und Steinenschloss.
Funktion des Bergfrieds
Lange wurde im Schrifttum vertreten, dass seine Hauptfunktion die des letzten Rückzugspunktes des Burgherren und seiner Familie im Falle der Stürmung der Burg gewesen sei. Der Bergfried war sozusagen dann die Kriegswohnung des Burgherrn. Für diese These spricht einiges: (1) Die hochgelegene Eingangspforte sollte ein direktes Stürmen des Turms durch den Feind unmöglich machen. (2) Durch die Bevorratung von Wasser und Lebensmitteln im Turm konnte auch einer längeren Belagerung standgehalten werden. (3) Man kann davon ausgehen, dass bei Gefahr im Bergfried als “Tresor” auch die wertvollsten Besitztümer und Urkunden geschützt wurden. Das ist aber noch nicht alles.
Der höchste Turm der Burg diente auch als Warte. Von oben ließen sich Besucher und Ungebetene auf dem Burgweg frühzeitig erkennen und Anweisungen an die Torwache übermitteln. Bei Kampfhandlungen konnten die Bewegungen des Feindes analysiert werden. Nicht selten befindet sich die Türmerwohnung im oberen Geschoss.
Heute wird vor allem die psychologische Bedeutung des Bergfrieds herausgestellt, die den Turm als das sichtbare Symbol für politische Macht und militärische Stärke seines Erbauers sieht. Von weitem schon sichtbar ist der Bergfried ein unübersehbarer Beweis für die Wehrhaftigkeit der Burg.
Durch den Wegfall der Wohnfunktion konnte der Bergfried bis in die oberen Geschosse fensterlos und massiver gebaut werden. Das unterstrich seiner Wehrhaftigkeit.
Im Kapitel “Standort der Burg” wird auch noch auf die Schildfunktion des Bergfrieds eingegangen.
Standort in der Burg
Die Lage des Bergfrieds innerhalb der Burganlage variiert. Der Bergfried stand meist frei innerhalb des Burgareals, gelegentlich an Mauern angelehnt. Bei Höhenburgen, die aus mehreren Richtung angreifbar waren, wählte man für den Bergfried eine zentrale Lage im Burgareal mit der Aufgabe, die Toranlage zu überwachen.
In der Stauferzeit entwickelte sich die Spornlage mit drei steil abfallenden Hängen und nur einer Hauptkampfrichtung als favorisierte Burgenposition. Hier rückte der Bergfried dichter in die Hauptangriffsseite.
Bei manchen Spornburgen (Landeck) wurde der Bergfried dicht an die Schildmauer herangerückt, ohne aber mit dieser verzahnt zu werden. So stellte man sicher, dass beim Einsturz eines der Wehrelemente der andere Bauteil nicht gefährdet wurde. Bei Beschuss der Burg durch Flachfeuer (Katapulte), bot der Turmkörper mit seiner stattlichen Höhe einen zusätzlichen Schutz für die dahinter liegenden Wohngebäude.
Bauweise
Der Bergfried in der Pfalz war überwiegend von gedrungen rechteckiger bis quadratförmiger Bauform (Landeck, Scharfenberg, Erfenstein, Lichtenberg, Wachtenburg) oder polygonal. Bei den polygonalen Bergfrieden in der Pfalz herrschten die fünfeckigen vor (Schloßeck, Hohenecken, Madenburg, Alt-Wolfstein). Die Formgebung des siebeneckigen Bergfrieds von Burg Gräfenstein war dem Gelände geschuldet und blieb die Ausnahme. Allen polygonalen Bergfrieden war gemein, dass eine Ecke in die Feindseite zeigte, so dass feindliche Katapultgeschosse, meist Blidensteine von 50 bis max. 150g Gewicht, beim Auftreffen auf den Turm zur Seite abgelenkt wurden.
Es gab aber auch runde Bergfriede in der Pfalz. In erster Linie ist hier der mächtige Rundturm der Burg Steinenschloss zu nennen.
Um den hohen repräsentativen Ansprüchen zu genügen, war die Mauertechnik am Bergfried am sorgfältigsten ausgeführt. Im pfälzischen Raum finden sich auf Bergfrieden besonders häufig Mauerschalen aus sorgfältig behauenen Buckelquadern aus rotem Buntsandstein mit geradem Randkantenschlag. Erst nach 1250 kamen vermehrt Bruchsteine (Alt-Wolfstein) zur Verwendung, die deutlich kostengünstiger in der Herstellung waren.
Durch den Wegfall der Wohnfunktion konnte der Bergfried bis in die oberen Geschosse fensterlos und massiver gebaut werden. Das unterstrich seiner Wehrhaftigkeit.
Höhe und Mauerstärke
Was die Abmessungen der Bergfriede angeht, so lassen sich in der Pfalz keine Baunormen feststellen. Die höchsten Bergfriede in der Pfalz standen nach meinen Nachforschungen auf Burg Frankenstein (um 30 Meter). Lichtenberg (um 33 Meter) und der Wachtenburg (um 30 m). Turmhöhen unter 20 Meter waren auf kleineren Burgen anzutreffen (Erfenstein, Scharfenberg). Im Schrifttum wird die durchschnittliche Höhe eines Bergfrieds mit 23 Meter angenommen. Diese Höhe entspricht einem Bergfried mit 3 – 4 Turmgeschossen.
Die Kantenlänge eines rechteckigen Bergfrieds soll zwischen 6 und 14 Metern betragen haben. Die Bergfried-Abmessungen von Burg Erfenstein unterschreiten mit 5,5 x 4,8 m diesen Richtwert sogar noch. Nicht viel größer ist der Bergfried von Meistersel mit 6 x 6 m. Burg Lichtenberg kommt mit einer Seitenkante von 11 m, Landeck mit 10 m daher. Die durchschnittliche Mauerstärke betrug zwischen 1,5 und 3 Meter, wobei die in die Feindrichtung zeigende Wandstärke größer war als an den Seiten.
Der Außendurchmesser des runden Bergfrieds vom Steinenschloss beträgt Meter über 13 Meter, sein Innendurchmesser 8,5 Meter. Die Mauerstärke beträgt unten 250 cm, hat sich nach oben allerdings verjüngt. Die Mauerstärke ist in der Angriffsseite etwas dicker gehalten. Die Höhe des Bergfrieds vom Steinenschloss wird auf 20 – 25 m geschätzt.
Inneneinteilung des Bergfrieds
Die Inneneinteilung von Bergfrieden lässt sich hingegen einigermaßen schematisieren. Im untersten Geschoss, was meistens ebenerdig mit dem Burghof abschloss, war häufig ein Burgverlies untergebracht. Nicht selten diente dieser besonders kühle Bereich auch als Vorratskammer. In der flachgedeckten oder gewölbten Decke befand sich häufig eine kreisrunde Öffnung (“Angstloch”) , durch das die Gefangenen an einem Strick hinuntergelassen wurden. Nur selten fand sich im unteren Bergfriedgeschoss ein Lichtschlitz.
Über dem Verlies auf der feindabgewandten Außenseite befand sich auf 5 bis 12 Meter Höhe über dem Boden die Zutrittspforte in den Turm. Diese war meist mit einer niedrigen massiven Doppeltür gesichert. Der Zugang war erreichbar mit einer einziehbaren Leiter oder einer Strickleiter oder einer Holztreppe, die bei drohender Gefahr schnell abgebaut werden konnte.
Über der Eingangsebene befanden sich gewöhnlich noch 1 bis 3 weitere Stockwerke. Der Aufstieg zum nächsten Stockwerk erfolgte im Turm auf hölzernen Blockstufentreppen (Landeck, Lichtenberg) oder Leitern. Nur auf dem Trifels (kein Bergfried) findet sich der Platz für eine steinerne Aufgangstreppe im Turm. Viele der Pfälzer Bergfriede sind heute nicht mehr zugänglich und ihr Innenaufbau und ihre einstmalige Höhe können nur noch vermutet werden,
Das oberste Stockwerk diente häufig als Wächterkammer (“Türmerwohnung”), die beheizt werden konnte und dann auch einen Kamin besaß. Insbesondere bei den höheren Bergfrieden halfen Aborterker, die Wege zur Erleichterung kurz zu halten.
Der oberste Boden, die sog. Wehrplatte, war entweder nach oben offen und von einem Zinnenkranz umgeben oder mit einem Pyramiden- oder Satteldach überspannt. Häufiger trug der oberste Boden einen aus Holz gefertigten vorkragenden Wehrgang (“Hurdenkranz”). Wenn man die Bodenplatten der Hurde entfernte, konnte man von oben Steine hinabwerfen oder heiße Flüssigkeiten auf den Feind hinabgießen.
Vorgekragte Ecktürmchen an Bergfrieden waren nur auf repräsentativen Burgen zu finden und kamen erst im 14. Jh. auf. Historische Abbildungen belegen, dass es solche Scharwachtürmchen am Torturm von Burg Drachenfels und den Bergfrieden der Madenburg, Falkenstein und Nanstein (vor 1518) gab.
Rondelle lösen den Bergfried ab
Im nachstauferzeitlichen Burgenbau hielt man zunächst noch am Bergfried als Hauptturm fest (Alt-Wolfstein). Die wehrtechnische Bedeutung des Bergfrieds änderte sich mit dem Aufkommen von Pulverwaffen ab dem 14. und 15. Jahrhundert. Es hatte sich gezeigt, dass ein Bergfried die Schutzfunktion der Burg nicht mehr uneingeschränkt gewährleisten konnte und ein Umbau zum Kanonenträger wenig erfolgversprechend war (Schussfeld, Überhöhung der Feindstellung, Turmstatik, Rauchabzug). Er wich sukzessive den runden oder abgerundeten Kanonenrondellen von besonderer Stärke und mit Geschützkasematten (z.B. Nanstein, Falkenstein, Berwartstein, Drachenfels, Altdahn, Neudahn, Hardenburg, Neuscharfeneck, Madenburg).
Die Aufrüstung der hochmittelalterlichen Burg zur Kanonenburg (“Festes Schloss”) war nur noch wohlhabenden Burgherren, zumeist Territorialherren (Kurpfalz, Pfalz-Zweibrücken, Leiningen, Reichsritter v. Sickingen), vorbehalten.
Abgrenzung des Bergfrieds vom Wohnturm
Sofern der Hauptturm für eine Wohnnutzung vorgesehen war, so ordnet man ihn den Wohntürmen zu. Die Burg Schlössel oberhalb von Klingenmünster aus dem 11. Jahrhundert verkörpert diesen Turmtypus.
Der Hauptturm auf Burg Trifels ist, obgleich seine rechteckige und prunkvolle Erscheinung es nahelegen, kein Bergfried sondern als Wohnturm einzuordnen.
Nicht alle Burgen hatten einen Bergfried
Neben den Wohntürmen kamen auch andere Burgtypen ohne Bergfried aus. So z.B. die Schildmauerburgen Ramburg und Neuscharfeneck, bei denen der Schutz der Burgbauten durch große Schild- bzw. Mantelmauern erfolgte. Die Kastellburg Neuleiningen wurde von 4 Rundtürmen an den Ecken und einer hohen umlaufenden Ringmauer geschützt. Auf Felsenburgen waren die räumlichen Verhältnisse so beengt, dass nur ein Ausnahmefällen (Meistersel, Falkenburg) ein kleiner Bergfried, meist in der Burgmitte zur Sicherung von Aufgängen, errichtet wurde. Bei den auf hohen Felsriffen errichteten Burganlagen Blumenstein, Grafendahn, Altdahn, Spangenberg Drachenfels, Berwartstein konnten auf einen Bergfried verzichtet werden, da wehrtechnisch die Sicherung und Sperrung des Zugangs zum Plateau der Oberburg Vorrang hatte. Häufig findet man auf diesen Burgen einen stattdessen einen schmalen hohen Wartturm (Altdahn, Wegelnburg, Blumenstein, Nanstein)