Angriffstaktik im Hochmittelalter

Die Angriffstaktik - Überblick

War  eine letzte Aufforderung zur kampflosen Übergabe der Burg abgelehnt, daraufhin die Einnahme durch List oder Überrumpelung gescheitert, begann die planvolle Belagerung mit Einsatz von Antwerk.

Ziel des Angreifers war es, sein Belagerungsgerät (Antwerk) und das  Fußvolk in Sturmausgangsstellungen vor die Burg zu bringen (“Annäherung”), um von dort aus in das Innere der Burg zu gelangen (“Einbruch”), dort durch Herstellen der Überzahl  den Widerstand zu brechen (“Durchbruch”) und die gesamte Anlage in Besitz zu nehmen.

Drei Option, den Einbruch zu erzielen

Für den Einbruch in die Feindstellungen kamen drei Varianten in Frage, die auch kumulativ (gleichzeitg) ablaufen konnten:

    1. Durch das Tor  (unter Einsatz von Katzwagen und Rammbock, Reißhaken an Zugbrücken)
    2. Durch die Mauer (Bresche legen mit Blide, Rammbock) oder unter der Mauer hindurch (mit Spitzhacken, bzw. durch Unterminieren)
    3. Über die Mauer  (unter Einsatz von Sturmleitern oder eines Wandelturms).

Falls alle Einbruchsversuche scheiterten, so blieb nichts anderes übrig als mit der Aushungerung der Burg und dem für die Verteidiger demoralisierenden Blidenbeschuss fortzusetzen. Und das konnte, wenn die Burg stark bewehrt und logistisch gut vorbereitet war, recht lange dauern.

Kampf gegen eine habsburgische Befestigung 
 (ca. Mitte 15. Jhdt) Quelle: Schilling, Amtliche Berner Chronik, Bd. 1 https://www.e-codices.unifr.ch/de/bbb/Mss-hh-I0001/95/0/

Die schweizerische Zeichnung von 1432 zeigt einen Angriff auf eine Wehrkirche, bei dem die unterschiedlichen vorartilleristische Herangehensweisen gut verdeutlicht werden können. Da wird

    1. das Tor eingeschlagen
    2. die Mauer mit Sturm- und Strickleitern erklommen, während
    3. eine Mauerbresche durch Sappeure  mit ihrem Pioniergerät (frz. Hoyau) geschlagen wird, durch die ein Soldat in die Wehranlage vordringt.

Interessant ist die Truppenbereitstellung  für den Sturm in einem Laufgraben, der zugleich Deckung vor dem Abwehrfeuer bot. Mehrere Arkebusiere halten im Stehendanschlag den Feind während des Eskaladierens der Sturmleitern nieder, so dass keine Abwehrmaßnahmen hiergegen erkennbar sind.

Sturm­an­grif­fe mit dem Ziel, die Mau­ern der be­la­ger­ten Burg zu über­win­den, sind im Schrifttum eher sel­ten über­lie­fert. Oft wur­de der Sturmangriff zu Be­ginn der Kampfhandlungen gewagt, um ei­ne lange kostspielige Be­la­ge­rung zu umgehen. Wenn die­ser Ver­such schei­ter­te, ver­leg­te man sich lie­ber dar­auf, die Burg aus­zu­hun­gern oder zu be­schie­ßen.