Analyse der Wehrfunktion von Neuscharfeneck

Beurteilung der Möglichkeiten eines Angreifers

Neuscharfeneck ist – wie in der Stauferzeit üblich – auf einen Bergsporn errichtet worden, der eine feindliche Annäherung, insbesondere das Heranführen von Belagerungsgerät und Bliden,  nur entlang der langgezogenen Bergrippe unterhalb des Roßberges erlaubt hätte.

Mehr über die Elemente einer stauferzeitlichen Burg.

Es sei außerdem an dieser Stelle auf meine Einlassungen zur Kampftaktik des Kapitels “Kampf um Burgen” hingewiesen.

 

Welche Waffen standen dem Angreifer im 15.Jhdt für eine Belagerung zur Verfügung? Welche Waffenwirkung konnte mit ihnen jeweils erreicht werden?

Die Blide war nicht immer in der Lage, eine starke Burgmauer zu zertrümmern. Die großen Wurfsteine konnten zwar die Brustwehren zerstören und mit einem hohen Bogenwurf auch Gebäude hinter der Schildmauern treffen. Gegen eine Starkmauer, wie sie die 20 Meter hohe und bis zu 12 Meter dicke Schildmauer von Neuscharfeneck darstellt, dürfte die Blide keine breschierende Wirkung gehabt haben und damit auch keine Vorarbeit für den Sturmangriff von Fußvolk geleistet haben.

Der Einsatz von Kanonen gegen Burgen hatte sich bereits zu Beginn der 15. Jh. bei der Belagerung der südhessischen Burg Tannenberg als sehr wirksam erwiesen. Daran hatte übrigens KF Ruprecht III. v. d. Pfalz, ein Vorfahre des Bauherrn auf Neuscharfeneck, Friedrich des Siegreichen, maßgeblichen Anteil.

“Mit schweren Waffen, darunter fünf Geschützen, setzte man der Burg, die mittlerweile mit 65 Mann besetzt war, stark zu. Jedoch konnte die Besatzung die ersten Angriffe abwehren, da sie schon Handfeuerbüchsen besaß. Die Wende brachte erst das schwere Frankfurter Geschütz. Mit 20 Pferden wurde die rund 3500 kg schwere Steinbüchse gezogen. Rund 40 Kugeln mit je 50 cm Durchmesser und einem Gewicht von 170 kg schlugen Breschen in die Burg.”

Beide Waffentypen als Belagerungswaffen hätten vermutlich auf dem Höhenkamm in etwa 200-300 Meter Entfernung östlich der Schildmauer Stellung bezogen, wenngleich schwere Büchsen in unwegsamen Waldgelände nur sehr schwerfällig zu bewegen gewesen wären. Dieser Umstand bildete den Ausgangspunkt für den Planungen des Ausbau von Neuscharfeneck zur Kanonenburg.

Steinkugeln zum Verschuss durch eine Blide Eigene Aufnahme 2017, Zeughaus Festung Königstein, Sachsen
Faule Magd ist dank wissenschaftlicher Restaurierung eines der am besten erhaltenen Geschütze aus dem Mittelalter. Das aus 20 geschmiedeten Eisenstäben und 40 Ringen zusammengesetzte Rohr wurde um 1430 als schweres Legestück hergestellt. Erst um 1600 baute man für dieses Stück eine hölzerne Radlafette. Da das Rohr keine Schildzapfen hatte, legte man es in einen Muldenkasten, der wiederum mit Schildzapfen in der Lafette gelagert wurde. Das Rohr mit einem Kaliber von 345mm hat eine Gesamtlänge von 2330mm und wiegt 1383,3kg. Die vermutlich als Belagerungskanone vorgesehene Waffe verschoss 96- pfündige Steinkugeln.