Historische Ansichten des Nanstein

Vorabbemerkungen

Nicht jede Rekonstruktionsskizze oder jedes Burgmodell kommt der baugeschichtlich belegten Wirklichkeit nahe. Oft werden einzelne Bauelemente nicht stimmig dargestellt, manchmal fehlen sie ganz oder werden einer falschen Bauphase zugeordnet. Manchmal fehlt aber auch eine belastbare baugeschichtliche Dokumentation, z.B. wenn Archive unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Im Pfälzer Burgenlexikon wird mit Bezug auf den Nanstein die Problematik wie folgt beschreiben:

Da Burg Nanstein mehrfach zerstört und verändert wieder aufgebaut wurde, darüber hinaus in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche, nicht immer gelungene Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen stattgefunden haben, ist es heute schwer, sich ein konkretes Bild vom Aussehen der ehemaligen Burg- und Schlossanlage zu machen.

Ich ergänze … und so bleibt der eigenen Phantasie und Vorstellungskraft ausreichend Spielraum.
Ich biete mehrere Rekonstruktionen bzw. zeitgenössische Abbildungen an.

Die Abbildungen und Rekonstruktionen aus der Zeit Sickingens vor der Zerstörung sind in der Minderzahl. Ein Modell, das in der Sterbekammer des Nanstein zu bestaunen ist, und dessen Erbauer mir leider nicht namentlich bekannt ist, trifft den damaligen Bauzustand recht gut, einzelne Ungenauigkeiten fallen nur dem Kenner auf.

Bekannte Illustrationen über die Belagerung 1523 habe ich ebenfalls beigefügt.

Die in der Mehrzahl die Burg in ihrem finalen Ausbauzustand Anfang des 17. Jahrhunderts zeigen. Sie beruhen vermutlich auf einem Kupferstich aus der Werkstatt des Casper Merian.

Die Rekonstruktionsskizzen von Wolfgang Braun haben einen festen Platz bei pfälzer-burgen.de, da sie überwiegend sehr stimmig sind.

Burganlage zur Sickingen-Zeit (Modell)

Als erste Historische Ansicht habe ich das in der Sterbekammer auf Burg Nanstein ausgestellt Burgmodell gewählt. Eigene Fotografien.

Mein wichtigsten Anmerkungen:

Das Große Rondell hat einen ovalen Grundriss, der hier nicht richtig erkennbar wird. Die Höhe des Rondells betrug einschließlich Dachplattform 6 Ebenen und erreichte eine Bauhöhe von gut 25 Meter. Im Modell wirkt es etwas zu kurz geraten.

Das Kleine Rondell (Abb. 3, 4) war zur Zeit Sickingens nicht überdacht und trug auf der Dachplattform Schlangengeschütze, die hinter einer (nicht dargestellten) Brustwehr Stellung bezogen.

Die Südmauer (Abb. 3) hatte 3 Geschützöffnungen, die in die Südmauer eingearbeitet waren. Die gesamte Verbingunsmauer zwischen Großem und Kleinem Rondell trug einen überdachen Wehrgang auf der Mauerkrone.

Der hoch aufragende schmale Turm über der östlichen Kante des Zentralfelsens scheint aus der Belagerungsskizze (farbige Abb.8, Sebald) entnommen zu sein. Nach den Analysen von Erhardt Braun (Quelle 2) war dieser als hochmittelalterlicher Bergfried bezeichnete Turm jedoch im Zuge des Umbaus zur Kanonenburg 1518 zurückgebaut worden. 1522 sei nur ein Stumpf auf der Oberburg verblieben, auf dem 1523 eine Stellung für die beiden leichten Mörser eingerichtet war.

Belagerung der Burg im April/Mai 1523

Quelle: Sebald Beha - Kolorierte Fassung. Foto Wandtafel in der Sterbekammer Burg Nanstein
Quelle: Sturm, Casper "Bellum Sickinganum Blatt 37, gemeinfrei.

Diese beiden Zeichnungen zeigen den Nanstein während der Belagerung im April/Mai 1523.

Nun könnte man meinen, dass die Existenz des hohen schmalen Turms nachgewiesen ist. Wie oben erwähnt, beziehe ich mich auf die Dissertation von Erhardt Braun und die Feststellung, dass in dem Stumpf des ehemaligen Bergfrieds eine Plattform für die beiden 10-Pfünder Mörser auf dem Nanstein eingerichtet war.
In der kolorierten Zeichnung sind weitere freie Interpretationen des Künstlers erkennbar:

  • Großes Rondell ist viel zu niedrig und hat nur 1-2 Ebenen
  • Beide Stadtmaueranschlüsse fehlen
  • Verlauf des Burgwegs ist falsch
  • Stellungen der Fürsten waren überhöht und nicht unterhalb des Schlossberges

Burganlage im finalen Ausbauzustand um 1640 nach Merian

gemeinfrei

Würdigung des Merian-Kupferstichs
Der Verfasser des Nanstein-Beitrages im Pfälzer Burgenlexikon kommentiert das Werk aus der Merian-Werkstatt wie folgt:

Ein Kupferstich von Caspar Merian (..) zeigt die ehemalige Burg im letzten Ausbaustadium und liefert eine zwar geschönte, aber doch grundsätzlich richtige Ansicht der Anlage.” (Pfälzer Burgenlexikon III, S. 654)

Ich füge hinzu, dass die Wehranlagen des Schlosses 1688 nach der Einnahme durch Kurpfalz geschliffen wurden und einige der hier gezeigten Wehr- und Wohnelemente in Trümmern lagen. Hierzu gehörten insbesondere die vollständig abgegangene Nordbastion mit ihrem eingebetteten Turm (Bildmitte, links der Hauptwohngruppe) und die zwischen den drei kleinen Treppentürmchen rechts davon zu sehende Wohnbebauung. Hier entstand eine massive Sprenglücke, die erst 1865 wieder geschlossen wurde (vgl. Grundriss).

Burganlage im finalen Ausbauzustand um 1600 nach W. Braun

Mit freundlicher Genehigung von Wolfgang Braun
Nanstein, Blickrichtung Südosten. Luftbildfoto v. Peter Wild, April 2017

Würdigung der Rekonstruktion von Wolfgang Braun

W. Braun hat bei seiner Skizze vermutlich den Merian Stich “Schloß und Stättlein Landstuhl” als Ausgangspunkt herangezogen; Perspektive und Blickrichtung ähneln einander sehr. Braun selbst hat seine Anlage nicht datiert, da jedoch die nördliche Vorburg und die Nordwestbastion erst um 1590 beim Abschluss des Ausbaus zum bastionierten Renaissanceschloss entstanden, scheint mir meine Datierung “um 1600” belastbar.

Würde man – wie beim Bilderätsel in der Samstagszeitung – akribisch auf die Suche von Unstimmigkeiten gehen, würde ich nachgenannte Punkte, die in der Skizze markeriert sind, nennen:

    1. Die Mauerstärke der Brüstung auf den Rondell-Plattformen scheint mir etwas dünnwandig ausgefallen zu sein.
    2. Die bei Braun zweigeschossige Haupttoranlage von 1555 ist entgegen des heutigen Baubestandes mit einem langen tonnengewölbten und überdachten Torbau versehen. Die Verbindungsmauer unterhalb der  erschließt sich mir nicht ganz.
    3. Das Sternwerk und die südliche Ringmauer sind nicht stimmig
    4. Bei Braun führt ein steinerner äußerer Bering um die Burg. Tatsächlich war die Burg innerhalb der Stadtmaueranbindung nur durch einen Palisadenwall verstärkt
    5. Bei Braun fehlt der nördliche Stadtmaueranschluss.
      Vor der Schildmauer, rechts der , war ein Halsgraben vor der Schildmauer, der im 19. Jhdt. verfüllt wurde.
    6. Den quadratischen schmalen Turm in der Mitte der Oberburg gab es dort nicht. (Siehe oben unter “Modell”)
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